SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

"Nobody knows the trouble I've seen, nobody knows but Jesus." So beginnt der Kehrvers eines bekannten Spirituals. "Keiner kennt das Unglück, das ich gesehen habe, keiner außer Jesus. Keiner kennt meinen Schmerz, Glory hallelujah." Für mich ist dieses Lied immer wieder ein beeindruckendes Glaubenszeugnis. Die Spirituals der farbigen Sklaven in Amerika haben ja ihren Ursprung in tiefer Not und Bedrängnis. Die Sklaven, die sie zuerst gesungen haben, wurden misshandelt, mussten 20 Stunden am Tag schwer arbeiten, gnadenlos wurden auf den Sklavenmärkten Kinder von ihren Eltern, Frauen von ihren Männern getrennt. Sie hatten keine Rechte, es gab keine Instanz, an die sie appellieren konnten. Niemand kennt das Unglück, das ich gesehen habe - dieses Unglück könnte, müsste sie völlig einsam machen. Aber es gibt einen, der sie sieht und der ihr Unglück kennt. Immer wieder rührt es mich an, mit welcher Kraft in Liedern wie diesem das Leiden und das Vertrauen hinausgesungen wird. Auch wenn mein Unglück grenzenlos ist, auch wenn niemand mich anschaut und auch wenn ich keinem als ein Mensch gelte, Gott sieht mich und kennt mein Leid. Dazu passt es, dass viele schwarze Sklaven sich eng mit Jesus verbunden gefühlt haben, vor allem mit seinem Leiden und Sterben. „Warst du dabei, als sie meinen Herrn gekreuzigt haben?" fragt ein anderes Lied. „Warst Du dabei, als sie ihn als Holz genagelt, in seine Seite gestochen, ihn ins Grab gelegt haben?"
Diese Lieder haben nicht dazu geführt, dass die Menschen sich in Ihr Schicksal ergeben haben. Die sie singen, resignieren nicht, betäuben sich auch nicht. Sondern sie bewahren den Glauben an ihre Würde, die sich bei aller äußeren Unfreiheit nicht versklaven lässt. „Und ehe ich ein Sklave werde, will ich in meinem Grab beerdigt sein und zu meinem Gott nach Hause gehen und frei sein." So heißt es in einem anderen Lied. Innere Freiheit in totaler äußerer Unfreiheit. Und immer wieder auch die Kraft, um die äußere Freiheit zu kämpfen. Wieviele Einzelne sind von ihren Herrn geflohen, wie viele haben sich zusammengeschlossen zu Aufständen. Und mit wie viel Mut stehen bis in unsere Tage farbige Menschen für ihre persönlichen und gemeinschaftlichen Rechte ein. Der Glaube, in Leid und Unrecht von Gott gesehen zu werden, kann Menschen gegen Leid und Unrecht stark machen. Das sagen mir die Spirituals, sie sagen es nicht nur, sie singen es, und lassen es fühlen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11789
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