SWR2 Wort zum Tag

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Vor einigen Tagen auf dem Bahnhof in Lübeck. Am Fahrkartenautomaten spricht mich ein dunkelhäutiger Mann an. Er und sein Freund wollen nach Hamburg. Wo ich denn hinwill, und ob wir uns nicht ein Länderticket teilen können. Auch ich will nach Hamburg, wir finden noch zwei weitere Leute mit demselben Ziel und nutzen schließlich zu fünft ein Gruppenticket: ein Ingenieur aus Franken, eine Studentin aus Hannover, ein Informatiker aus Togo, ein Krankenpfleger aus Jamaica und ich aus Baden. Die Fahrt verging wie im Flug, soviel hatten wir uns gegenseitig zu erzählen.
Was heute so selbstverständlich geht, ist von mutigen Menschen erkämpft worden. Zum Beispiel von Rosa Parks, einer schwarzen US-Amerikanerin. Die ist nämlich am 1. Dezember 1955 auf ihrem Platz in einem Linienbus in Montgomery/Alabama einfach sitzengeblieben. In den Bussen in Alabama waren damals vorn vier Reihen für Weiße reserviert, die oft leer blieben, aber von den farbigen Passagieren nicht benutzt werden durften. Der hintere Teil, der für sie reserviert war, war meist überfüllt. Außerdem gab es einen mittleren Abschnitt, den schwarze Personen benutzen durften, allerdings mussten sie eine komplette Reihe räumen, sobald auch nur ein Weißer in dieser Reihe sitzen wollte. Rosa Parks hatte sich in eine dieser mittleren Reihen gesetzt und sich geweigert aufzustehen, als ein weißer Fahrgast kam. Der Busfahrer rief die Polizei, und Rosa Parks wurde wegen Störung der öffentlichen Ruhe verhaftet und zu 10 Dollar Strafe verurteilt. Wenige Tage später organisierten farbige Bürgerinnen und Bürger in Montgomery einen Busboykott. Nach jenem 1. Dezember nahm - mehr als ein Jahr lang - kein Schwarzer mehr den Bus. Sie bildeten lieber Fahrgemeinschaften oder gingen zu Fuß. Schließlich waren die Behörden gezwungen, die Rassentrennung in Bussen und Bahnen aufzuheben.
Rosa Parks ist am 24. Oktober 2005 gestorben. Ich erinnere heute an sie, weil ich ihr auch als Weiße dankbar bin. Zum Beispiel für die die Möglichkeit, mich einfach so eine knappe Stunde lang mit einem Mann aus Togo und einem Mann aus Jamaica zu unterhalten.

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