SWR3 Gedanken

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„Immer kriege ich den Schwarzen Peter." Emma ist unglücklich. Jedes Mal zieht sie die Karte, die keiner haben will. Eben den Schwarzen Peter. Emma ist fünf Jahre alt, „Schwarzer Peter" ist ein Spiel. Emma wird älter werden. Und wird womöglich noch viel öfter den schwarzen Peter ziehen. Nicht im Spiel, sondern im Leben.
Denn dieses Gefühl haben viele Erwachsene. Dass sie im Leben immer den schwarzen Peter ziehen. Gudrun zum Beispiel. Die mit Mitte Vierzig den Mann ihres Lebens gefunden hat. Und dann ist er zu einer anderen gezogen. Oder Thorsten. Der hat in der Hauptschule gerade noch die Kurve gekriegt und ist richtig stolz darauf. Aber eine Lehrstelle gibt ihm trotzdem keiner. Und dann noch Klaus. Der sich auf einen windigen Steuerberater verlassen hat und jetzt sein Haus zwangsversteigern muss.
Immer kriege ich den schwarzen Peter. Diesen Satz höre ich nicht nur von meiner Tochter, sondern in vielen Gesprächen. Von Menschen, die das Gefühl haben, im Leben immer nur Pech zu haben. Und das ist kein schönes Gefühl.
Findet auch Emma, schmeißt die Karten hin und beschließt, dass sie nie wieder „Schwarzer Peter" spielen will. Weil sie ja doch nur Pech hat. Und da denke ich eben wieder an Gudrun, die sich noch nicht einmal mehr die Haare wäscht, weil sie sich selbst egal geworden ist. Oder an Thorsten. Der keine Bewerbungen mehr schreibt, um keine Enttäuschung mehr zu erleben. Und an Klaus, der sich nicht mehr unter Leute traut, weil er ihre scheelen Blicke fürchtet.
Wer die Karten hinschmeißt, bekommt keinen „Schwarzen Peter". Wer die Karten hinschmeißt, ist aber auch aus dem Spiel. Und verspielt jede Chance zu erleben, wie es ist, auf der Gewinnerseite zu stehen. Deswegen rede ich Emma gut zu: Neues Spiel, neues Glück. Und siehe da, irgendwann ist sie den „Schwarzen Peter" los. Und genau das wünsche ich Gudrun und Thorsten und Klaus. Dass sie erleben, dass auch im Leben die Karten immer wieder neu gemischt werden.

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