Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Am Anfang ist immer das Chaos. Das steht in der Bibel. Ganz vorne. Am Anfang, als Gott Himmel und Erde geschaffen hat, da war ein Durcheinander, ein Tohuwabohu. Und seitdem ist am Anfang von etwas Neuem immer Chaos.
„Man muss ein Chaos in sich haben," meinte Friedrich Nietzsche, ein genialer, kreativer Denker. „Man muss ein Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu gebären.
Nietzsche hat ein ziemlich chaotisches Leben gehabt, eine schwierige Familie und komplizierte Frauengeschichten. Aber er hat gewusst, dass aus seinem Lebenschaos viele brillante Ideen entstehen können.
"Man muss ein Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu gebären."
Diesen Satz habe ich mir über meinen Schreibtisch gehängt.
Wenn ich wieder mal nichts finde in meinem Durcheinander. Dann lese ich mir den Satz laut vor. Und muss schmunzeln. Wahrscheinlich hast du mal wieder eine kreative Phase, stehst am Anfang einer genialen neuen Idee. Das hilft mir, tief durchzuatmen.
Weil: chaotische Zustände fühlen sich nicht sehr gut an. Die hätte man am liebsten gleich hinter sich. Zum Beispiel das Chaos, das nach einer Trennung entsteht. Der geliebte Mensch ist weg. Einerseits ist man jetzt frei. Die Probleme, die diese Beziehung mit sich gebracht hat, sind vorbei. Aber der Mensch ist trotzdem noch da. War da nicht seine Stimme? Ist er eben nicht um die Ecke gegangen? Nein, es waren nur die eigenen Gedanken.
Oder das Chaos nach Abschluss eines Projektes. Die Arbeit ist getan. Aber die Gedanken kreisen noch drum. Etwas Neues muss her, aber was? Wie soll es weitergehen?
Chaos- das ist ein Leben zwischen Baum und Borke. Die alte Ordnung, die alten Sicherheiten sind weg, das Neue ist noch nicht in Sicht. Dazwischen ist Chaos.
Eine Zeit, die man am liebsten überspringen, verschlafen oder vergessen würde.
Die Bibel aber meint: Chaos - ist nicht das Ende. Es ist der Anfang.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war - Chaos. Chaos, das ist für Gott eine Ursuppe voller Möglichkeiten. Aus dem Chaos schafft Gott Himmel und Erde und Pflanzen und Tiere und den Menschen. Alles neu. Alles Schöpfung, die es so vorher noch nicht gegeben hat.
Man muss ein Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu gebären, meint der Philosoph Friedrich Nietzsche. Chaos will gelebt sein, will ausgehalten und durchgehalten sein.
Was wäre die Welt ohne ihre Chaoten. Die großen Chaoten mit ihren wunderbaren Erfindungen und Entdeckungen. Und die kleinen Chaoten. Menschen wie Sie und ich.
Menschen, durch deren Lebenschaos hindurch Gott die schönsten Sterne an unseren Himmel zaubern will.

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