Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Ich will ja keinen missionieren!" Den Satz hab ich im letzten Jahr öfter mal gesagt. Allerdings ging es da nicht um meinen christlichen Glauben. Sondern darum, dass ich seit einem Jahr vegetarisch lebe. Nicht alle meine Freunde fanden das am Anfang so toll. Geht das auch mal wieder rum, dein Vegetariertum? Hat manche Freundin gefragt, halb scherzhaft, halb ernst. Und mancher hat wohl auch gedacht: Ohje, jetzt kann sie grundsätzlich kein Fleisch mehr auf dem Tisch sehn und verdammt alle, die sich ein Steak gönnen. „Ich will keinen missionieren!" Damit wollt ich sagen: Ihr könnt natürlich weiter essen, was ihr wollt - ich will keinen zu meinem Lebensstil zwingen. Ich hab das wirklich nur für mich so beschlossen. Interessanterweise haben meine Freunde und ich gemerkt: Es hat sich trotzdem etwas verändert, nicht nur bei mir. Es gab mehr Gemüse auf dem Grill diesen Sommer, der eine oder andere hat sich plötzlich sehr für gegrillten Schafskäse begeistert. Wir haben spannende Gespräche geführt über den Zusammenhang von Fleischkonsum und Hunger in der Welt. Und wir haben neue Gerichte ausprobiert, Couscous mit Gemüse zum Beispiel, die allen geschmeckt haben. Auch manche Freunde essen mittlerweile weniger Fleisch oder gar keins mehr. Ein bisschen missioniert hab ich also anscheinend doch. Und wirklich: ohne es groß zu wollen. Im Grunde ist das die Art von Missionierung, die ich mir auch für den christlichen Glauben wünsche. Es geht nicht darum, Druck und Zwang auszuüben, sogar anderen Angst zu machen, womöglich Gewalt auszuüben. Solche Art von Mission gab es früher, und diese geschichtlich-dunkle Seite von Mission hat dazu geführt, dass man das Wort heute nicht mehr so gerne in den Mund nimmt. „Missionieren", das hat einen zweifelhaften Ruf. Dabei ist das, was dahinter steckt, doch eigentlich etwas ziemlich Normales und Schönes: Wenn ich von etwas überzeugt bin, wenn mir etwas in meinem Lebensstil wichtig ist, dann verstecke ich das nicht. Ich zeige es anderen, ich erzähle davon. Und ehrlich gesagt: Natürlich freue ich mich, wenn andere sich von meiner Überzeugung anstecken lassen. Wenn sie Geschmack finden: am vegetarischen Essen. Oder am christlichen Glauben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11599
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