Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Es war einer der seltsamsten Kinoabende, die ich je erlebt hab. Ohne groß nachzudenken hatte ich mir eine Tüte Gummibärchen gekauft, und manch anderer hatte sogar Popcorn mit in den Saal genommen. Aber Essen und Trinken gerieten bei diesem Film zu einer gewissen Herausforderung. Denn es gab keine große Filmmusik und erst recht keine quietschenden Autoreifen. Dieser Film lief fast völlig ohne Geräusche - und deshalb konnte man jedes Tütenrascheln und Kauen überdeutlich hören. „Die große Stille" hieß der Film. Er spielt in der „Grande chartreuse", einem Kloster in der Nähe von Grenoble. Und er zeigt, wie die Mönche dort leben: wie sie im Garten arbeiten, in der Küche oder in der Wäscherei - alles im Schweigen. Lediglich beim Gebet in der Kirche wird gesprochen und gesungen. Ansonsten herrscht: Stille. Im Kloster -  und im Kinosaal. Der Mensch, auf den diese „große Stille" ursprünglich zurückgeht, hat heute in der katholischen Kirche seinen Festtag: der heilige Bruno. Bruno zog sich im Jahr 1084 mit einem halben Dutzend Gefährten in ein einsames Gebiet in den französischen Alpen zurück und gründete dort eine Art Kloster für Einsiedler. Das Felsengebiet bei Grenoble hieß Cartusia, und so wurde aus dem Kloster die „Grande Chartreuse", in der der Kinofilm gedreht wurde. „Die große Stille": Sie ist mir doch ziemlich fremd. Im Kino war es einfach seltsam, jeden Griff in meine Gummibärchentüte so deutlich zu hören. Und auch sonst geht es mir im lauten Alltag ja so wie vielen anderen: Einerseits sehne ich mich oft nach mehr Ruhe und Stille. Aber wenn sie sich dann einmal einstellt: Dann ist sie ungewohnt. Und auch gar nicht so leicht zu ertragen. Dann drehe ich doch rasch das Radio oder den Fernseher an oder greife zum Telefon. Stille wirft mich auf mich selbst zurück. Ich höre mich selbst plötzlich viel deutlicher: meinen Griff zu den Gummibärchen, aber zum Beispiel auch: meinen Atem. Wenn es still wird, höre ich stärker das, was in mir vorgeht: auch meine Gedanken und Gefühle. Ich will es heute ab und zu versuchen: still zu werden. In mich hinein zu hören. In der Stille lässt sich manchmal Besonderes, Göttliches vernehmen. Das wusste schon der heilige Bruno.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11598
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