SWR3 Gedanken

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Verehrt worden ist sie schon zu Lebzeiten - weil sie ganz außergewöhnliche Erfahrungen mit Gott gemacht hat. Hildegard von Bingen, eine Nonne im hohen Mittelalter. Zwölftes Jahrhundert - eine Zeit, ganz klar, von Männern beherrscht
in Staat und Gesellschaft und in der Kirche schon sowieso. Nur um Bingen am Rhein herum - da war das, scheint's ein wenig anders. Hildegard war da Äbtissin,  die Obere über viele andere Nonnen und über den ganzen Wirtschaftsbetrieb.
Ziemlich effizient, anscheinend, und immer auch mit einem praktisch-wissenschaftlichen Anspruch. Sie hat einfach gut beobachtet, wie zum Beispiel Menschen auf bestimmte Lebensmittel reagieren. Sie hat das aufgeschrieben, weiter ausprobiert - das nennt man heute Hildegard-Medizin. Eine ihrer Nachwirkungen über fast tausend Jahre. Aber auch in ihrer Zeit hatte sie schon großen Einfluss;
aus der direkten Nachbarschaft kamen viele zu ihr, die einen Rat haben wollten - in Glaubensfragen, in Lebensfragen, zu allen möglichen Themen. Sie kamen zu einer Frau! Trotz Männerherrschaft überall - wie eine Gegenströmung. Und gelegentlich hat Hildegard sich auch auf die Reise gemacht. Hat Bischöfe und Kleriker beraten - in Trier und in Köln. Ihre Kölner Rede an die Kirchenmänner ist überliefert: „Ihr seid eine Nacht, die Finsternis ausatmet, und wie ein Volk, das nicht arbeitet. Ihr liegt am Boden und seid kein Halt für die Kirche... Und wegen eures ekelhaften Reichtums und Geizes ... unterweist ihr eure Untergebenen nicht. Ihr solltet eine Feuersäule sein, den Menschen vorausziehen und sie aufrufen, gute Werke zu tun."
Mittelalter - klingt aber auch heute ziemlich realistisch und modern.Wer so redet, hat schlechte Chancen, offiziell heilig gesprochen zu werden. Für Hildegard waren vier Verfahren in Rom erfolglos - aber das Kirchenvolk ist klüger und schneller:
Hildegard von Bingen gilt als Heilige - schon lange; Glückwunsch also zum Namenstag, liebe Hildes und Hildegards!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11507
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