SWR2 Wort zum Tag

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14. September - Kreuzerhöhung. So heißt der heutige Tag in der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen. Das Kreuz ist das Zeichen des Glaubens der Christen, des Glaubens an Jesus Christus, vor allem an seine Auferweckung aus dem Tod. Es steht dabei nicht nur für diesen Glauben an Jesus Christus, sondern auch für alles Gute und alles Schlimme, das im Namen des christlichen Glaubens geschehen ist. Das Kreuz ist ein höchst ambivalentes Zeichen: Zeichen für ein Leben im Sinne Jesu und für die Bereitschaft, das eigene Leben nicht für das Wichtigste zu halten. Es steht also für die großzügige Bereitschaft, Zeit und Kräfte und sich selbst zu verschenken. Und das Kreuz steht für jenes Bewusstsein der Überlegenheit, in dem Christen meinten, anderen ihren Glauben aufzwingen zu müssen. So ist es auch Zeichen für die kleinliche Vorstellung von einem Gott, dessen Segen nur für christliches Leben gelten würde.
Welchen Sinn kann es haben, ein so belastetes Zeichen zu feiern wie heute am kirchlichen Fest „Kreuzerhöhung"? Der Blick auf das Kreuz Christi zeigt, wie Leben und Tod miteinander verbunden sind. Aber wo zeigt sich beim Kreuz Leben? Dort, wo es aufersteht, wo es aus einer Verborgenheit, aus einer Dunkelheit, einer Bedrohung hervorgeht als immer wieder verletzlicher Beginn von Leben. Sicher sind Leben und Tod Gegensätze, aber Leben zeigt sich als auftauchendes Leben nur im Durchgang durch den Tod.
Die Bibel bezeugt von Anfang bis Ende eine einzige Gotteserfahrung: Der Gott, von dem das Volk Israel unendlich oft weggeht, und von dem es dennoch immer wieder angezogen wird, ist ein Gott, der das Leben will, das Leben nicht nur dieses Volkes, sondern aller Menschen. Im Alten Testament heißt es: „Das Leben und den Tod habe ich dir vorgelegt (...), erwähle nun das Leben, damit du lebst (...)." (Deut 30,19)Zwischen Leben und Tod zu wählen, kann nichts anderes heißen als zwischen zwei Weisen des Lebens zu wählen: zwischen dem Leben, das zum Sterben bereit ist, in Trennungen und Verlusten, und dem Leben, das sich gegen die vielfältigen Durchgänge durch den Tod zu wappnen und zu wehren sucht - zwischen dem Leben also, das in Bewegung lebendig bleibt, und dem Leben, das aus Angst vor Verlusten und Trennungen auf seine Lebendigkeit verzichtet. Wenn es darum geht, das Kreuz zu feiern, so geht es nicht zuletzt darum, die erste Wahl zu feiern: die Wahl des lebendigen Lebens, das durch den Tod hindurchgeht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11495
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