SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Mama, ich will mithelfen“ , ruft mein kleiner Sohn und schiebt sich einen Hocker an den Spültisch. Das freut mich und ich unterstütze ihn dabei, auch wenn es manchmal anstrengender ist, als es selbst zu machen.
Kinder ahmen die Erwachsenen nach. Das ist ihre Weise zu lernen. Indem sie das nachmachen, was die Großen tun, gehören sie dazu und werden selbst „groß“. Das gilt fürs Spülen genauso wie für die Lust, Vater-Mutter-Kind zu spielen, und das gilt grundsätzlich auch für die Lebenshaltungen und Werte, die Kinder bei ihren Eltern und anderen wahrnehmen. Wenn heute über den Verlust an Werten bei der jungen Generation gesprochen wird, so ist das zuallererst ein Spiegel, den sich wir Erwachsene vorhalten sollten. Werte entstehen nicht durchs Reden sondern durchs Tun. Wenn Kindern und Jugendlichen Werte vermittelt werden sollen, dann brauchen sie zuallererst Vorbilder, die ihnen diese Werte vorleben.

Nach christlich-humanistischem Verständnis ist der grundlegende Wert unseres Zusammenlebens die Würde und Bedeutung jeder einzelnen Person. Diesen Wert „erlernt“ ein Kind dadurch, dass es selbst erfährt, geliebt und geachtet zu sein. Es ist nie zu oft und nie zuviel einem Kind zu sagen und vor allem zu zeigen: „Wie gut, dass es dich gibt.“ Und: „So wie du bist, mögen wir dich“. Das ist nicht immer einfach, denn neben den liebenswürdigen Seiten, die jedes Kind hat, gibt es auch die anstrengenden, die Erziehung zu einem mitunter mühsamen Geschäft machen. Warum zum Beispiel muss der Bruder immer so eifersüchtig sein, wenn seine Schwester etwas bekommt?

In solchen Situationen ist es wichtig und entlastend, sich die guten Anlagen und Kräfte der Kinder vor Augen zu führen, die ja oft die positiven Kehrseiten ihrer anstrengenden Seiten sind. Hinter der Eifersucht etwa steht das Grundbedürfnis, wahrgenommen zu werden. Und das ist wichtig, um sich als Person entfalten zu können.

Aber auf dem Weg, erwachsen zu werden, können und müssen Kinder auch lernen, unangenehme Dinge zu tun und schwierige Situationen auszuhalten. Sonst bleiben sie geistig und emotional kleine Kinder, die alles vom Leben erwarten und frustriert sind, wenn ihnen etwas abverlangt wird. Auf diesem Weg brauchen sie Erwachsene, die freundlich und konsequent an ihrer Seite sind. Wenn Kinder bei diesem Lernprozeß entdecken können, dass sich diese Mühe lohnt, ist ein wichtiger Grundstein für ihr Wertbewusstsein gelegt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1147
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