SWR2 Wort zum Tag

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Wo sagt jemand zum ersten Mal „Ich" in der Bibel - und zwar wirklich „ich" und nicht nur „mein" oder „mir"?
Das erste „Ich" der Bibel - vielleicht erstaunt es nicht - ist Gott vorbehalten. Am Anfang der Bibel wird erzählt, wie Gott die Welt erschafft, den Himmel und die Erde und alles, was die Erde erfüllt. In sechs Tagen schafft Gott unermüdlich in dieser so poetischen Geschichte und bringt das Leben in all seiner Fülle hervor. Das letzte seiner Geschöpfe ist der Mensch, ein besonderes Geschöpf. Besonders nicht, weil es im Vergleich mit den anderen Formen des Lebens und des Daseins wertvoller wäre. Besonders ist der Mensch, weil Gott ihn in eine besondere Beziehung zu ihm ruft. Er erschafft den Menschen als sein Gegenüber. Mit ihm spricht er, von ihm will er Antworten hören und ihm gegenüber öffnet sich Gott auch in seinem Wesen und in seinem Tun.
Es ist diese erste Begegnung zwischen Gott und Menschen, in deren Verlauf das Wort „ich" fällt. Gott gibt sich seinen Menschen gegenüber zu erkennen, er stellt sich ihnen gewissermaßen vor: „Sehet, ich habe euch gegeben alle Samen tragenden Pflanzen und alle Bäume mit Früchten zu eurer Speise." Mit dieser Ich-Botschaft gibt sich Gott den Menschen als Schöpfer zu erkennen. Er knüpft ein Band zwischen sich und den Menschen und der Schöpfung. Er sieht in seiner Schöpfung eine Ordnung vor, an die der Mensch sich zu seinem Wohl halten soll. Und - die weiteren Ereignisse zeigen es - nur indem sich der Mensch an diese Ordnung hält, bewahrt er auch seine Freiheit.
Interessant ist nämlich auch das erste „Ich" eines Menschen. Der Mann im Garten Eden spricht es aus. Nachdem er von der verbotenen Frucht gegessen und Gottes Schöpfungsordnung damit durchkreuzt hat, versteckt er sich aus Scham. Auf Gottes Anruf „Wo bist du?" antwortet er: „Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich, denn ich bin nackt; darum versteckte ich mich."
Ein klägliches „Ich" ist das, voller Schuldeingeständnisse. Ein belastetes Ich. Nicht das Ich, zu dem Gott den Menschen erschaffen hat, als er ihn als sein Gegenüber zum ersten Mal ansprach. Stattdessen wird der Mensch zu einem Subjekt, das hinter Gottes Lebensbestimmung weit zurück bleibt.
So alt diese Erzählung ist, von ihrer Aktualität hat sie nichts verloren - in Zeiten, in denen das „Ich" des Menschen immer noch mit Selbstrechtfertigungen beschäftigt ist, statt nach Gottes Wohl für diese Erde zu fragen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11457
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