SWR4 Abendgedanken BW

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Mein Leben, das sind die Geschichten, die ich erzähle.
Wenn sich alte Kollegen treffen und beieinander sitzen, kann es passieren, dass einer sagt:
„Hab' ich das eigentlich schon erzählt? Das hab ich Euch doch sicher schon erzählt!"
Kurzes Schweigen, Blick in die Runde, Schulterzucken. Die anderen wissen ja auch noch nicht, worum es geht. Und einer von ihnen denkt: „Gute Geschichten kann man zweimal hören, und vielleicht haben wir sie ja auch schon wieder vergessen", und sagt dann: „Egal, macht nichts. Erzähl schon!"
So hab' ich es vor ein paar Wochen erlebt. Und irgendwann dachte ich: „Mein Leben - das sind eigentlich die Geschichten, die ich erzählen kann - und natürlich auch die, die ich erzählen könnte, aber nicht erzählen will, jetzt nicht, hier nicht oder vielleicht überhaupt nicht."
Ja, es gibt Geschichten, die kann man immer wieder erzählen und auch immer wieder hören und zu manchen Treffen und Festen gehören sie einfach dazu. Sie können durchaus auch von Gefahren und Gefährdungen, von Schicksalsschlägen und schweren Zeiten berichten. Und wie wir ihnen entronnen sind und sie überwunden haben. Geschichten, in denen - trotz allem - eine gute Vergangenheit steckt und Ermutigung für die Zukunft.
Manche Geschichten hat man so oft gehört, dass man irgendwann überzeugt ist, man habe sie selbst erlebt. Und dann erzählt man sie weiter und sie werden zum Teil des eigenen Lebens.
Bei den Geschichten, die unsere früheste Kindheit betreffen, ist das ganz deutlich. Da haben wir noch keine eigenen dauerhaften Erinnerungen, aber was uns die Eltern und Geschwister über die ersten beiden Jahre erzählen, prägt sich so ein, dass wir es für selbst erlebt halten.
Und wenn man so beieinander sitzt und zuhört, kann man mit Erstaunen oder auch Erschrecken merken: in manchen Geschichten, die die anderen erzählen, komme ich auch vor, spiele ich eine Rolle. Ich bin Teil ihrer Erinnerungen und Erfahrungen. Ich gehöre zu ihrem Leben.
Mein Leben ist also noch mehr als die Summe der Geschichten, die ich erzählen könnte. Ich gehöre mit meinen persönlichen Geschichten zu einem größeren Zusammenhang. Wir alle gehören- mit unseren persönlichen Geschichten - zu einer größeren gemeinsamen Geschichte.
Der Apostel Paulus sagt es so: Keiner von uns lebt für sich allein, und keiner stirbt für sich allein.
Für mich heißt das: wer an Gott glaubt, der glaubt an diesen großen Zusammenhang. Meine kleinen Geschichten gehören hinein in die große Geschichte Gottes mit uns Menschen, mit seiner Schöpfung.
Und das ist, davon bin ich überzeugt, eine Heils-Geschichte, eine Geschichte mit einem guten Ende, einer guten Zukunft.

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