Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Es ist schon grandios, wie der Thronsaal aussah. Damals. Vor 1700 Jahren. In der alten Kaiserstadt Trier. Strahlend weißer Marmor schmückte die Wände in der Konstantin-Basilika. Riesige Fensterflächen tauchten den gewaltigen Saal in helles Licht. Marmorplatten auch auf dem Fußboden. Und selbst die Decke in dreißig Metern Höhe schien zu leuchten: Die gewaltigen Kassettenfelder waren mit Blattgold belegt.
Ein Saal aus Licht, geschaffen für den Kaiser des Lichtes. Der römische Kaiser, der sich als Sonnengott verehren ließ.

Die Besucher damals waren sicher so klein mit Hut in dieser Basilika. Und sie wurden auch nicht größer, wenn sie den riesigen Saal durchquerten. Und sich vor dem Kaiser auf den Boden warfen. Das Gesicht nach unten. Die Arme zur Seite ausgestreckt. Völlig ergeben.
Wenn es dem Kaiser gefiel, durfte der Besucher aufstehen und ein Loblied auf den Kaiser singen. Vielleicht auch eine Bitte vortragen.

Wenn der antike Besucher wieder gehen musste, tat er das rückwärts. Mit vielen Verbeugungen- natürlich. Versuchen Sie mal, auf diese Weise 60 Meter geradeaus zu gehen. Das funktioniert nicht. Da laufen Sie zick-zack. Ohne das zu wollen. Wie ein Betrunkener. Und das sieht ziemlich lächerlich aus.

Aber genau das wollte dieser Raum ja erreichen: den Kaiser zum Gott machen. Und den Besucher erniedrigen. .

Dieser grandiose Thronsaal in Trier, ist heute Kirche. Die Konstantin-Basilika ist seit mehr als 150 Jahren evangelischer Gottesdienstraum.
Ohne Marmor und Gold, schlicht und ohne Prunk. Wo einst der Thron der Kaiser stand, da befindet sich heute der Altar unserer Kirche.

Ich finde das grandios. Denn in diesem Raum kann man heute erfahren, was Demokratie eigentlich ist. Genau der Bereich, der früher nur dem Kaiser exklusiv vorbehalten war, der ist heute offen für Jedermann.

Hier versammelt sich die Gemeinde im Gottesdienst. Hier stehen wir in einem großen Kreis um den Altar und feiern das Abendmahl. Wir liegen nicht vor dem Kaiser oder Sonnengott auf dem Boden, wir stehen aufrecht, schauen einander in die Augen und freuen uns, weil wir eingeladen sind. Unser Gott will, dass wir einander aufrecht und mit Liebe begegnen. Und an Jesus Christus können wir das sehen, spüren und schmecken.
Jeder ist gleichviel wert. Ohne Ausnahme. - Ich meine: Das ist grandios.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11426
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