SWR4 Abendgedanken BW

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Liegt die Vergangenheit vor uns oder hinter uns? Und wo liegt dann die Zukunft? Ich bin unsicher geworden, ob ich die richtige Vorstellung von der Zeit habe und die richtige Einstellung zur Zukunft. Bisher war für mich klar, die Vergangenheit liegt hinter uns und die Zukunft vor uns. So sagen wir ja zum Beispiel: Das Beste liegt noch vor uns! oder: Wir haben das Schlimmste schon hinter uns. Im hebräischen Denken, wie es uns im Alten Testament begegnet, gibt es auch die andere Vorstellung, das nämlich die Vergangenheit vor uns liegt, vor unseren Augen, und die Zukunft hinter uns, in unserem Rücken, unseren Blicken eher verborgen. Und es spricht ja auch einiges dafür. Die Vergangenheit liegt vor uns. Wir können sie betrachen, sie immer wieder lebendig werden lassen und uns mit ihr auseinandersetzen. Vor uns liegt, was uns unsere Vorfahren hinterlassen haben: die Äcker und Felder, die Häuser, die Kultur, die Staatsordnung. Manches sind vollendete Tatsachen, manches wartet darauf, dass wir es weiterführen und an unsere Nachkommen weitergeben. Und was die Zukunft angeht, da haben wir in letzter Zeit ja oft von den Experten hören können: Wir waren überrascht. Diese Entwicklung haben wir nicht kommen sehen! Zukunft ist eben nicht nur das, was wir planen und was mit einer gewissen Zwangsläufigkeit aus der Vergangenheit und Gegenwart ensteht. Hinter der Vorstellung, dass die Zukunft hinter unserm Rücken liegt, unseren Blicken weitgehend verborgen ist, steckt die Überzeugung: Gott ist der Herr der Zukunft. Und wie er handelt, ist oft unseren Blicken entzogen. Und er kann wirklich Neues schaffen. Mir sagt das: wir sollten einerseits bescheidener und vorsichtiger sein, wenn wir die Zukunft in den Griff nehme wollen oder wo wir sie belasten mit unseren Problemen und Hinterlassenschaften. Wir müssen die Zukunft vor unserem Zugriff schützen. Wir sind nicht ihre Herren. Aber andrerseits können wir auch erwartungsvoller sein und auf das Neue hoffen, das Gott hinter unserem Rücken schaffen wird. In der Vergangenheit, die vor uns liegt, gibt es dafür bereits einige Hinweise, welche Zukunft Gott uns zugedacht hat. Für mich wird es am deutlichsten, wenn ich die Taten und Worte Jesu bedenke: Zum Beispiel die Seligpreisungen: die Leidtragenden sollen getröstet werden, den Sanftmütigen wird die Erde gehören und alle, die hungern und dürsten nach Frieden und Gerechtigkeit, sollen satt werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11421
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