Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Müssen Christen erst Juden werden?" Diese Frage stellt heute kein Mensch mehr. Das war vor 2.000 Jahren ganz anders. Von der Antwort hing die Zukunft der Jesus-Gemeinde ab. Die ersten, die an den Mann aus Nazaret glaubten, waren ausnahmslos Juden - wie er selbst: die Apostel, die Jüngerinnen und seine Anhänger in Jerusalem. Aber schon sehr bald trugen Missionare das Evangelium über Israels Grenzen hinaus. Die Folge: immer mehr Nicht-Juden begeisterten sich für die Frohe Botschaft und wollten dazugehören. Vor allem in den großen Städten, wo sich zuvor schon viele „Heiden" für den jüdischen Glauben interessiert hatten. Im weltoffenen Antiochia entstand die erste „gemischte" Gemeinde. Hier lebten Judenchristen und Heidenchristen gleichberechtigt zusammen. Genau das aber wollten die Brüder und Schwestern in Jerusalem so nicht. Wenn schon die Heiden im Ausland dazukamen, dann sollten sie erst Juden werden. Das hieß für die Männer: sich beschneiden lassen, den Sabbat einhalten und die strengen Speisegebote der Tora beachten. Dagegen aber liefen der Apostel Paulus und seine Freunde in Antiochia Sturm. Die Taufe muss genügen. Mit ihr wird man Christ. Keine Umwege mehr über das Judentum. Schluss, aus! Die junge Kirche stand vor einer Zerreißprobe. Und wie löste man den Konflikt? Mit einer Konferenz. Die Apostel trafen sich in Jerusalem. Vor der ganzen Gemeinde tauschte man seine Erfahrungen aus. Leidenschaftlich ging es zu, aber auch fair. Am Ende konnte Paulus überzeugen: Es ist der Wille Gottes, dass auch Nicht-Juden das Evangelium annehmen. Und in der Kirche Christi gibt es keine Gläubigen zweiter Klasse. Das Beispiel zeigt: Konflikte gehören zur Kirche. Von Anfang an. Entscheidend ist nur, dass man sie offen anspricht und eine Lösung im Miteinander sucht. Keine autoritären Vorgaben, keine einsamen Entscheidungen. Heute steckt die Kirche wieder in einer Krise. Deshalb hat im Land ein Dialogprozess zwischen Bischöfen und Laien begonnen. Dabei könnte die Jerusalemer Konferenz eine echte Ermutigung sein. Denn danach wurde aus der kleinen Jesus-Bewegung eine weltweite Glaubensgemeinschaft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11400
weiterlesen...