SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Fanfaren ertönen. Pferde galoppieren auf den Platz. Ritter in prächtigen Rüstungen. Wir waren mit den Kindern im Urlaub bei einer Ritterstuntshow. Eine mittelalterliche Minne-Sängerin stellt die Helden vor: rechts die Guten, angeführt vom edlen Ritter Georg. Und links die Bösen. Ihr Anführer: Ein grimmiger Kerl mit einem Helm, der aussieht wie ein Totenschädel. Und dann teilt die Minnesängerin auch uns, das Publikum ein - rein zufällig. So wie man sitzt: rechts gute Seite - links böse Seite. Alle sollen ihre Kämpfer mit lautem Schlachtgebrüll anfeuern. Den Kindern gefällt das unheimlich gut: die eigenen anfeuern, die gegnerischen Ritter ausbuhen. Kind müsste man sein: da ist die Welt irgendwie übersichtlicher, da existieren noch Gute und Böse. Ich dagegen weiß ganz oft nicht mehr wo die Grenze verläuft. Sind unsere Politiker die Guten? Und Banker die Bösen? Oder umgekehrt? Oder beides. Oft kann ich es gar nicht eindeutig festlegen. Bin ich selbst gut? Oder gehöre ich zu den Bösen? Wenn ich die Kinder ins Bett schicke scheine ich für sie immer der Böse zu sein. Wenn ich mit Ihnen einen Ausflug mache der Gute. Während ich noch darüber nachdenke kämpfen die Ritter weiter. Mal triumphiert die gute, mal die böse Seite, aber zum Ende - klar: gewinnen die Guten! Das Turnier ist vorbei. Da verkündet die Minnesängerin, dass mit dem Ende des Turniers auch das Ende von guter und böser Seite gekommen ist. Alle sollen feiern und fröhlich sein. Mir schießt ein ziemlich religiöser Gedanke durch den Kopf: Das Ende des Turniers - Das Ende des Lebens. Alle sollen fröhlich sein. Alle? Gute und Böse? Auch die Bösen sollen feiern? Dürfen in den Himmel?  Vielleicht ist Gott ja wirklich genauso großzügig wie die Minnesängerin. (Das Turnier hat mir deutlich gemacht, dass es nicht immer an mir liegt auf welcher Seite ich lande. Nur zufällig gehörte ich diesmal zu den Guten.) Darüber will ich noch ein bisschen nachdenken.

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