Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Lässt Du es Dir gut gehen?" Eine ungewöhnliche Frage. Ein Freund stellt sie mir öfter, wenn wir uns sehen. Normalerweise fragen die Leute: „Geht es Dir gut?" oder „Wie geht's?" Meistens wollen sie es gar nicht so genau wissen. Dementsprechend fällt die Antwort aus: „Gut.", „Es geht." Manchmal sagen die Gefragten, warum es ihnen nicht so gut geht, wo es im Augenblick hapert: die Gesundheit, der Stress im Beruf, die Kinder, der Nachbar, ...  Also ungünstige Lebensumstände. Die können in der Tat beeinflussen, ob es mir gut geht. Die Frage „Lässt Du es Dir gut gehen?" bringt eine andere Perspektive ins Spiel. Sie setzt bei mir an, bei der eigenen Einstellung. Es hängt ja nicht nur von den Umständen ab, ob es mir gut geht. Das liegt wesentlich an mir - wie ich mit den Gegebenheiten umgehe, wie ich mich innerlich darauf einstelle. Das ist entscheidend. Der eine lässt sich vom schlechten Wetter den ganzen Tag vermiesen - der andere ist beim gleich trüben Himmel in bester Stimmung. Die Frage ist: Wovon mache ich es abhängig, ob es mir gut geht? Vom Wetter? Vom Fußballergebnis? Davon, ob ich ganz gesund bin? Davon, dass etwas nicht geklappt hat? Davon, dass jemand mich kritisiert hat? Deshalb sollte es mir nicht mehr gut gehen? Weil etwas nicht so ist, wie es sein sollte? Muss ich mich davon gefühlsmäßig bestimmen lassen? Es wäre schade, wenn ich all dem Macht über mein Inneres geben würde, über mein Wohlbefinden. „Ein Christ ist ein Mensch, dem die Dinge so schmecken, wie sie sind." Das hat Papst Johannes XXIII. gesagt. Sein Satz hängt seit Jahren an der Pinnwand in meiner Küche. Damit mein Blick immer wieder darauf fällt. Johannes XXIII. war ein gütiger, humorvoller Mensch. Sein Glaube hat ihm eine große Gelassenheit geschenkt. An ihm kann ich ablesen: Es stimmt:  Ich kann mich so auf die Wirklichkeit einstellen, dass es mir gut geht, auch wenn vieles nicht ideal ist. Den Glauben erlebe ich dabei als einen Weg zu größerer innerer Freiheit. Er schenkt mir einen hilfreichen Abstand zu den Dingen - und zu mir selbst. Damit es mir damit gut geht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11380
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