Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Gott sieht alles!" Das ist ein Satz, der vielen Menschen Angst macht. Verständlicher weise, denn lange Zeit wurde - gerade in der Erziehung -  mit diesem Satz Druck gemacht. Eltern, Lehrer und vor allem Vertreter der Kirche haben diesen Satz häufig mit einem erhobenen Zeigefinger verbunden: „Denk daran, mach nichts Böses, Falsches oder gar Unanständiges; Gott sieht alles! Und er wird dich zur Rechenschaft ziehen." Unterstrichen wurde diese Aussage dann noch mit der Darstellung eines Dreiecks, in dem sich ein Auge befand. Das Dreieck stand für die Dreifaltigkeit Gottes - Vater, Sohn und Heiliger Geist - und das Auge dafür, dass er uns überwacht. „Ein Auge ist, was alles sieht, selbst was in dunkler Nacht geschieht." Das hat Angst gemacht. Angst vor einem Gott, der alles kontrolliert, jedes Fehlverhalten des Menschen notiert und jedem und jeder am Ende die Rechnung präsentiert.
Die Bibel kennt Gott als einen Richter, Er verlangt Rechenschaft von uns, er wird am Ende der Tage für Gerechtigkeit sorgen und die aufrichten, die unter die Räder gekommen sind. Aber zur biblischen Botschaft gehört genauso das Bild von Gott als dem barmherzigen Vater, der sich freut, dass der verlorene, der missratene Sohn wiederkommt. Der dem Sohn keine Vorhaltungen macht, sondern ihn bedingungslos wieder aufnimmt. Der Satz „Gott sieht alles" muss mir keine Angst machen. Im Gegenteil er kann befreien. Denn hier ist einer, dem kann ich nichts vormachen - und dem muss ich auch nichts vormachen. Bei ihm muss ich nicht so tun, als sei ich gut und moralisch einwandfrei. Er kennt meine Schattenseiten, mit ihm kann ich ganz ehrlich sein. Denn alles bleibt unter uns. Der kleine Fritz hat im Garten des Pfarrers Äpfel geklaut. Der Pfarrer will ihn mit dem Satz: „Du weißt ja, Gott sieht alles" zu einem Geständnis bringen. Fritzchen lässt sich aber nicht darauf ein, sondern erwidert dem Pfarrer ganz trocken: „Ich weiß Herr Pfarrer, Gott sieht alles, aber er petzt nicht!"

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