SWR2 Wort zum Tag

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„Für den Einfachen ist das Leben einfach, aber es öffnet ein Buch, in welchem wir nie über den ersten Buchstaben hinauskommen". Diese Notiz finde ich im Tagebuch von Dag Hammarskjöld, dem großen UNO-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger. Er war ein hochbegabter Mann, viel gereist und daheim in vielen Sprachen, ein scharfer Analytiker komplexer und komplizierter Zusammenhänge. Aber einfach wollte er sein und werden, klar und lauter. Auch auf dem Parkett der großen Politik war er schlicht und ohne Getue, in jedem Augenblick präsent und zugänglich, auch in der schwierigsten Situationen blieb er ruhig und lösungsorientiert. Wie den Mystikern des Mittelalters, die er gern las und bisweilen zitierte, war ihm in den letzten Jahren wirkliche Geistesgegenwart zugefallen, die Kunst, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Nicht zurück träumen in die Vergangenheit, nicht voraus phantasieren und schwärmen, nein: Was hier und jetzt dran ist, das soll ganz getan werden, ohne Egointeressen und mit vollem Einsatz. „Hin und weg und voll da".
Hammarskjöld hatte etwas Selbstvergessenes, scheu und offen zugleich. Diese Einfachheit schafft Frieden und bezeugt ihn. Und vor allem: sie öffnet das Buch des Lebens, „wo wir über den ersten Buchstaben nie hinauskommen" So überraschend ist jeder Tag, so herausfordernd jede Situation. Hammarskjöld war ein aufgeweckter, präsenter Mensch, ganz zugewandt und doch ohne Neugierde. Wie die Farben ins reine Licht, so sollte das Vielerlei stets eingefaltet sein in das Hier und Jetzt. Diese große Kunst der Gelassenheit lebt aus tiefem Gottvertrauen. Hammarskjöld wusste sich geborgen. Typisch seine Notiz: „Frucht des Vergangenen, zukunftsschwanger, ist das Jetzt gleichwohl immer in der Ewigkeit - stets in der Ewigkeit, ein Schnittpunkt zwischen Zeit und Zeitlosigkeit des Glaubens, frei gegenüber Vergangenheit und Zukunft." Natürlich hat Hammarskjöld diese Kunst der Zustimmung nicht einfach durch Nachdenken und Lesen gelernt. Da steckt viel Lebenserfahrung dahinter, manch ungeduldige Irr- und Umwege auch, vor allem aber Gebet und Meditation. Nochmal der O-Ton des großen Christen: „Blicke dich nicht um und träume nicht von der Zukunft, sie wird dir nicht die Vergangenheit zurück geben, noch andere Glücksträume erfüllen. Deine Pflicht und deine Belohnung - dein Schicksal - sind hier und jetzt."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11311
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