SWR2 Wort zum Tag

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Dag Hammarskjöld, der vor 50 Jahren starb, war der geborene Diplomat - nicht nur von Berufs wegen als UNO-Generalsekretär, sondern persönlich und aus innerster Überzeugung. Im Misstrauen zwischen Menschen, Völkern und Regierungen liege die größte Gefahrenquelle, davon war er überzeugt. Selbst klare Standpunkte beziehen, aber sich in sein Gegenüber hinein fühlen und denken, das war ihm das Wichtigste. Verständigung oder gar Versöhnung setzen für ihn innere Klarheit voraus und ein Höchstmaß an Einfühlungsvermögen voraus. In seinem Tagebuch notiert er, als wär's die Kurzfassung seiner lebenslangen Bemühung: „Nur berichten, was für andere Bedeutung hat. Nur fragen, was man zu wissen wünscht. Beides auf das beschränken, was der Sprecher beherrscht." Sein Grundsatz lautet also: Nicht den eigenen Vorstellungen oder Vermutungen trauen, sondern das Gegenüber oder die Gegenseite fragen, was man zu wissen wünscht. Und immer ist dabei Vertrauensvorschuss im Spiel. Typisch auch diese Notiz: „Es ist wichtiger, die eigenen Beweggründe zu kennen, als die Motive des anderen zu verstehen, des anderen Gesicht ist wichtiger als das deine; ... dauerhafte Lösungen kannst du nur dann in einer Beziehung erwarten, wenn du den anderen von außen siehst, doch gleichwohl seine Schwierigkeiten von innen erlebst." Hammarskjöld hatte höchste Ansprüche an sich selbst, er wollte möglichst unbestechlich sein, und war es auch. Faule Kompromisse oder halbherziges Taktieren waren ihm ein Gräuel. Aber genauso sensibel achtete er darauf, dass ein Streit nicht eskaliert. Verständigung und Versöhnung waren ihm alles. Wie diese Kunst der leisen Diplomatie konkret funktioniert, kann schlaglichtartig ein Episode beleuchten. Hammarskjöld war als Beifahrer in einem PKW unterwegs in New York. Es kommt zum Verkehrsunfall mit einem Taxi. Die Fahrer beider Wagen steigen aus und brüllen sich an. Da steigt Hammarskjöld aus und spricht den Taxifahrer mit folgenden Worten an: „Ich glaube nicht, dass die Leute wirklich ahnen, wie anstrengend es ist, in New York City ein Taxi zu fahren. Ich weiß gar nicht, wie ihr Kerle das schafft - 10, 12, 14 Stunden am Tag, Tag für Tag. Glaubt mir, ich ziehe meinen Hut vor ihnen." Der Taxifahrer ist berührt und beruhigt sich: „Mister", sagt er: „Sie treffen den Nagel auf den Kopf." Die explosive Situation war entschärft. So stürzen die Mauern des Misstrauens, funktioniert Friedensarbeit, nicht nur in New York.

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