SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Grenzen trennen. In Europa sind die Grenzen offen, ein Gewinn, der nicht verspielt werden sollte. Beim Übergang in ein fremdes Land stößt man allerdings auf die Sprachgrenze, auch auf unterschiedliche Mentalitäten und Bräuche und erfährt dabei doch, dass Grenzen trennen. - Andererseits berührt sich an den Grenzen, was durch sie getrennt ist. Länder, Gemeinden, Menschen können über die Grenze hinweg vielfältige Beziehungen pflegen. So ermöglichen Grenzen auch Begegnungen von Getrennten, eine Zusammengehörigkeit über die trennende Grenze hinweg.
Grenzen gibt es auch im Leben jedes Menschen, Begrenzungen, die auch schmerzhaft sein können und die dann doch miteinander verbinden, was einmal war und was künftig sein wird. Grenzerfahrungen macht man auch im Glauben. Immer wieder bedrängt einen die Einsicht, dass man nicht ist und nicht tut, was man sein und tun sollte. Man möchte gerne eins sein mit sich selbst, aus den Widersprüchen herauskommen und schafft es einfach nicht. In Krisen- oder Konfliktsituationen, in denen man sein Versagen genau kennt, ist die Grenze zwischen Sein und Sollen besonders bedrückend. Wer bin ich eigentlich? Diese Frage lässt sich dann nicht mehr unterdrücken und versetzt in eine quälende Unruhe. Aber nun weiß der Glaube auch: Ich versage zwar und bin nicht, was ich sein sollte. Dennoch bin ich Gott recht, weil er mich liebt. Dadurch kann ich die Grenze zwischen Sein und Sollen aushalten. Ich kann auf dieser Grenze leben in der Gewissheit, dass in Gottes Liebe der Widerspruch zwischen Sein und Sollen aufgehoben ist und ich durch sie mit mir selbst eins sein kann. - Oft fällt es schwer, das Vertrauen auf Gott und seine Liebe mit den Leiden in der Welt und im eigenen Leben zusammenzubringen. Man spürt eine beunruhigende Grenze zwischen diesem Vertrauen und der Erfahrung der Wirklichkeit. Man wird von der Frage gequält, warum Menschen so leiden müssen, warum einen selbst großes Leid getroffen hat. Aber der Glaube kann das Vertrauen auf Gottes Liebe und die Erfahrung der Wirklichkeit zusammenhalten. Ich kann zwar die Leiden in der Welt und in meinem Leben nicht verstehen; Gott verbirgt sich für mich hinter ihnen. Ich kann mich aber dann an das halten, was ich durch Jesus Christus von Gott und seiner Liebe weiß und so mit meinen Fragen, die keine Antwort finden, dennoch beim Vertrauen bleiben. Im Glauben kann ich auf der Grenze zwischen meinem Vertrauen auf Gottes Liebe und meiner Erfahrung der Wirklichkeit leben. Der Glaube hält auf der Grenze scheinbar nicht Vereinbares zusammen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11267
weiterlesen...