Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Einen schönen Sonntagmorgen! Das fängt ja gut an. Mit einem Sonntag nämlich. Mit diesem Sonntag fängt die neue Woche an.
Es hält sich zwar immer noch hartnäckig das Gerücht, die Woche beginne mit dem ungeliebten Montag, aber das stimmt nicht. Für uns Christen ist das anders. Da steht der Sonntag als der Tag der Auferstehung Jesu vorne. Da sollen wir das Leben feiern und genießen.
Erst die Ruhe, dann der Sturm. Das mag uns doch eine Lehre sein. Bevor wir nämlich fleißig werden, machen wir erst mal Pause.
Die Frage ist halt nur, ob wir was mit ihm anzufangen wissen. Mit diesem Sonntag.
In meiner Kindheit war das im Dorf klar geregelt. Der Sonntag hatte einen genauen Plan.
Wenn am Morgen die Glocken anfingen zu läuten, sind wir alle aufmarschiert in unseren unschlagbar kleidsamen Sonntagskleidern und dann ab in die Kirche.
Dort wurde am Sonntag quasi abgezählt, ob noch alle da sind. Schön sortiert:
Männer oben, Frauen unten, Kinder seitlich, Presbyter repräsentativ auf der langen Kirchenbank.
Der Pfarrherr machte alles wie immer, das war wichtig, weil damit klar, dass alles bleibt wies immer war.
Damals ging man sogar als Junge oder Mädchen in die Kirche, um zu flirten. Das glaubt mir heute nur keiner mehr.
Aber es war so. Man konnte ja sicher sein, dass die Angebetete auch kommt.
Und dann hatte man eine Stunde Zeit, sie anzustrahlen. Noch heute kann man in Kirchenbänken eingeritzte Herzen und Buchstaben finden aus dieser Zeit, in der der Gottesdienst zum Verlieben geeignet war.
Danach auf dem Heimweg roch man schon den Braten auf allen Gassen. Und am Mittag kam es dann zum vorläufigen Höhepunkt. Dem unvermeidlichen Sonntagsspaziergang.
Das ist eine vom Aussterben bedrohte Eigenart der Fortbewegung, bei der man zwar Schritte macht, aber nicht von der Stelle kommt.
Das war dann auch die harte Bewährungsprobe für uns Lausbuben, weil doch ganztägig die Parole: Nicht dreckig machen! galt. Und das ging halt schier nur bis halb vier.
Wenn uns unterwegs die Sache zu weit ging, dann hat man uns gelegentlich mit falschen Versprechungen bestochen, und gesagt: dass es da oben hinter der Kurve ein Eis gäbe, oder was zu trinken.
Beides hat so gut wie nie gestimmt. Aber wenn wir dann endlich wieder zuhause waren, dann gab es feinen starken Bohnenkaffee und den gefüllten Kranz, oder Käsekuchen meinetwegen, egal, auf jeden Fall sehr lecker.
Das war allerdings immer die Phase des Sonntages, wo man immer mit dem plötzlichen Einfall der Verwandtschaft rechnen musste.
Die Gelegenheit für uns Kinder, recht bald zu verschwinden um uns endlich richtig dreckig machen konnten. Wunderbar.
Weil die Erwachsenen sich jetzt angeregt unterhielten, wie sie das sonst die ganze Woche nicht taten.
Neulich hat eine Oma zu mir gesagt, dass sie immer Sonntags Nachmittags ganz besonders hofft, dass die Kinder kommen.
Sonntag Nachmittag sei nämlich der HeimwehTag. Und ich glaube, da hat sie recht. Und vielleicht sollten wir am Erhalt dieses guten alten Brauchtums festhalten.
Sonntag als Besuchstag. Da wüssten wir doch mit dem Sonntag was anzufangen.
Und das nicht nur, weils Kuchen gibt...

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