SWR2 Wort zum Tag

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Vor einer Woche hat es in Norwegen die furchtbaren Anschläge gegeben. Über 70 Tote. Ermordet von einem Menschen, der anscheinend meinte: Er könne mit seiner Gewalttat das Abendland retten. Als Christ hat mich erschüttert, dass er sich selbst als fundamentalistischen Christen sieht. Es liegt nahe, ihn als „Psychopathen" zu bezeichnen und zu meinen, damit sei alles erledigt. Aber ich denke: Das wäre zu einfach.
Es gibt sie, diese Versuchung, das Heil in der Gewalt zu suchen. Auch bei religiösen Menschen. Auch in der Bibel hat diese Gewalt-Versuchung ihren Niederschlag gefunden. Ausgerechnet am kommenden Sonntag soll in den evangelischen Kirchen über einen Abschnitt der Bibel gepredigt werden, in dem Gewalt eine irritierende Rolle spielt.
„Der HERR, dein Gott... ist Gott allein", heißt es da. „Er hält den Bund und die Barmherzigkeit..denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um." (5. Mose 7,9f)
Dieses Versprechen wird Mose in den Mund gelegt, um dem verängstigten Volk Mut zu machen.
Ob solche biblischen Sätze den Attentäter von Oslo in seinem Wahn bestärkt haben? Wenn, dann hat er sie völlig auf den Kopf gestellt.
Denn 1) ist Gewalt in diesem Text keine Option für Menschen. Es ist allein Gott vorbehalten, Herr über Leben und Tod zu sein. Texte wie dieser verbieten, sich fundamentalistisch zum Werkzeug Gottes zu erheben, das gegen andere Menschen vorgehen könnte.
Und 2): Es gibt Ausleger, die sagen, solche Texte haben therapeutische Absicht: Sie versprechen einem Volk und Menschen, die sich klein fühlen, ohnmächtig und umgeben von Feinden: Gott steht an eurer Seite steht und lässt euch nicht untergehen.
Trotzdem: Auch wenn die Texte so gemeint sind, bleibt für mich die Irritation: Es stehen Abschnitte in der Bibel, die sich Rettung ausmalen und sich dafür Gewalt als Heilmittel vorstellen. Auch von Gott.
Dabei gibt es doch in der Bibel den großen Strom von Geschichten, in denen Gott Böses ganz anders überwindet. Mit Liebe und Barmherzigkeit. Bei den Propheten und erst recht in Jesus hat Gott das überdeutlich gemacht.
Vielleicht wäre es darum besser, Texte wie den, der für den kommenden Sonntag vorgeschlagen ist, nicht mehr zu predigen. Sondern Geschichten, die unmissverständlich erzählen: Gottes Weg ist nicht Gewalt gegen Menschen: Er redet ins Gewissen, er lädt ein, zu vertrauen, zu lieben.
Ich meine: Wir sollten Geschichten predigen, die Menschen stärken, so dass sie keine Gewaltphantasien brauchen. Texte, die Angst nicht schüren, sondern helfen, Ohnmachtsgefühle und Angst auszuhalten und zu überwinden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11196
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