SWR2 Wort zum Tag

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Einer der großen poetischen Texte im Alten Testament ist der Psalm 104. Wenn ich ihn höre, lasse ich mich gefangen nehmen von seiner sprachlichen Schönheit:
Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast. Du breitest den Himmel aus wie einen Teppich; du baust deine Gemächer über den Wassern. Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen und kommst daher auf den Fittichen des Windes...
Der Psalm ist ein großer Lobpreis Gottes als dem Schöpfer der Welt. Er besingt die Schönheit Gottes in der Schöpfung und die Kostbarkeit des Lebens in bilderreicher Sprache: Das göttliche Kleid ist aus Licht. Der Himmel wird ausgebreitet wie ein Teppich, Gemächer sind über den Wassern gebaut. Wolken und Wind sind Begleiter. Es ist ein Lied, das Gott preist:
Herr, wie sind deine Werke groß und so viel!
Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.
Diese Verse atmen Leben. Sie verströmen Lebenslust.
Aber kann ich Gott heute noch so loben? Sieht unsere Erde nicht ganz anders aus? Hat sie nicht große Wunden bekommen durch Umweltzerstörungen, Naturkatastrophen, Hungersnot, Klimawandel?
Auch wenn ich um all das weiß, kann ich von einer Welt träumen, in der der  Mensch verantwortlich mit der ihm anvertrauten Erde umgehen lernt. Und so kann ich die tröstlichen Sätze des Psalmisten wie eine Hoffnung lesen.
Beim Bestaunen des Waldes und der blühenden Gärten, der Freude über die Schönheit der Berge und über die Weite des Meeres kann auch ich dem schöpferischen Handeln Gottes Worte geben, so dass ich singe:
Lobe Gott, meine Seele!
Dieses Leben im Einklang mit der Schöpfung spüre ich auch am Meer. Ich kenne es in vielen Facetten: wütend grollend,  vom Sturm aufgepeitscht, Gischt versprühend, mit hohen Wellenbergen, ruhig daliegend. Am Meer zu stehen ist wie Atemholen. Das Meer lehrt mich stille zu werden, Raum und Zeit zu vergessen. Ich bin berührt von seiner Schönheit und Kraft, von der Weite und Unendlichkeit des Himmels, fühle mich eingebunden in Gottes Schöpfung, in diesen Kreislauf  allen Lebens, dieses Kommen und Gehen, Wachsen und Entstehen,  Werden und Vergehen,  so dass ich mit dem Dichter des Psalms sprechen kann: Lobe, den Herrn, meine Seele. Wie sind deine Werke groß und viel.

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