SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.
So heißt es in einem Lied von Paul Gerhardt. Kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges hat er es zu Gottes Lob als dem Schöpfer aller guten Gaben geschrieben. Es ist ein Lied voll verströmender Lebenslust. Mit seinen vielen Bildern lädt es ein, über die Schöpfung zu staunen und sie zu bewundern: Die Bäume voller Laub zu sehen, die Blumen, Lerche und  Nachtigall mit ihrem Gesang zu hören, sich davon berühren zu lassen:
Ich singe mit, wenn alles singt und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen.
Dieses Lied fordert mich auf, aufzubrechen, die Freude zu suchen,  sie wahrzunehmen  in der Natur, die sich gerade in dieser Jahreszeit in einen großen blühenden Garten verwandelt hat. Geh aus mein Herz, das meint: Achte auf das, was dich umgibt, öffne dich, lass dich berühren von der Schönheit der Natur. Nimm dir Zeit, höre, sehe!   
In Mainz gibt es einen wunderbaren Park. In der Sommerzeit erfreue ich mich oft an seiner Pracht. Wenn ich in seine Schönheit eintauche, vergesse ich Raum und Zeit, bin ganz bei mir. So stelle ich mir den Garten der Schöpfung vor.
Fünf Jahre war der Dreißigjährige Krieg zu Ende, als Paul Gerhardt dieses Lied „Geh aus mein Herz" schrieb. Er hatte diese schrecklichen Jahre sicher nicht vergessen, aber  auf dem Hintergrund leidvoller Erfahrung auch Mut zum Weitergehen gefunden. Er sieht nicht nur das eigene Leben, nicht nur, was ihm fehlt, sondern sein Blick weitet sich, er begreift, was ihm geschenkt ist. So kann er sich an der Natur freuen und sich als Teil der Schöpfung verstehen.
Aber ist die Schöpfung noch so schön, wie Paul Gerhardt sie beschreibt? Wir kennen auch andere Erfahrungen: Erdbeben, Naturkatastrophen, Hungersnot, Klimawandel, Zerstörung von Landschaften. Kann ich trotzdem hinter all dem Gottes Wirken noch erkennen, wo wir Menschen dabei sind, Gottes Schöpfung zu zerstören?
Ja, ich kann Gott loben, wenn ich mich an blühenden Gärten freue. Aber loben geschieht auch durch die Art, wie ich lebe, wie ich mit der Schöpfung umgehe. Denn sie ist ein Ort des Behütens, der verletzlichen Schönheit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11089
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