Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ich stehe in der Tür und winke. Alle Ratschläge bin ich losgeworden und meine Tochter hat sie tapfer über sich ergehen lassen. Sie zieht ihren gepackten Koffer hinter sich her, wohl wissend, dass sie bald ihre Ruhe haben wird vor besorgten Eltern, Warnungen und Empfehlungen. Sie freut sich auf einen Schüleraustausch in Frankreich, auf neue Erfahrungen, interessante Leute und unbekannte Lebensweisen. Ich mag Abschiede nicht besonders gern. Und doch gehören sie immer wieder zu unserem Alltag. Da wechselt der beliebte Kindergartenleiter in eine andere Einrichtung und man erinnert sich an all das Gute, was man zusammen erlebt hat. Eine Schulklasse wird neu zusammengestellt und die beste Freundin landet in der Parallelklasse. Die netten Nachbarn ziehen um und werden beim nächsten Grillfest fehlen. Und auch am Urlaubsort muss ich mich wieder verabschieden von der Ruhe, der erholsamen Zeit und der schönen Landschaft.
Mein Vater und viele andere Westerwälder sagen zum Abschied „Gott walt´s". Das vergisst er nie. Zum Beispiel vor einer weiten Reise, vor einer schweren Aufgabe, zum Segen. Bei uns zuhause gehört das einfach dazu.
„Gott walt´s!" Das meint: Gott walte das, was kommt. Gott segne das, was bevorsteht. Gott halte seine Hand über das, was ich alleine nicht schützen und halten kann. Gott segne die Lieben, die unterwegs sind. All das fasst mein Vater mit dem kurzen Segen „Gott walt´s" zusammen.
Auf ihrer Reise nach Frankreich hat meine Tochter auf einem Bahnhof ein Foto gemacht. „6 Wochen Freiheit" steht an einer Bahnhofswand kunstvoll gestaltet. Freiheit genießen, ja das gönne ich ihr. Und ich spüre, auch mir fällt es leichter, sie mit Gottes Segen ziehen zu lassen. In Freiheit unter Gottes Schutz leben. Das wünsche ich ihr nicht nur sechs Wochen lang. Das wünsche ich uns allen jeden Tag neu.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11076
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