SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Sie lächelt verlegen.
„Der Mann, den du gerade gesehen hast. Der kommt immer hierher zu mir, wenn er Probleme hat und Geld braucht. Das geht jetzt schon ca. vier Jahre so."
Sie beugt sich vor, um mir ihre Geschichte besser zu erzählen.
„In diesen vier Jahren habe ich ihm schon mehr als 2 000 Euro gegeben. Für Fahrkarten und wenn's am Ende des Monats nicht mehr reicht, für ein Bett in einer Obdachlosenherberge, für eine neue Mütze im Winter. Er ist nicht böse, nicht Alkohol abhängig, nimmt keine Drogen; er ist einfach ein armer Mann, der keine Arbeit lange halten kann, der nicht mit Geld umgehen kann. Ein armes Schwein halt, der hin und wieder Hilfe braucht."
Natürlich weiß sie, es gibt die Diakonie und die Caritas und etliche andere Hilfseinrichtungen. Und sie weiß, er kommt nur zu ihr, weil er Geld braucht. Aber sie kann irgendwie nicht anders. Wenn er so kommt und ihr seine Geschichten erzählt und wofür er gerade jetzt mal wieder Geld braucht.
Und sie fragt:
"Wer hilft den Leuten wie diesen schnell mal eben, unbürokratisch, ohne groß zu fragen? Niemand. Auf der anderen Seite..." sie guckt mich traurig an, „ich verdiene gut, so dass ich bequem über die Runden komme; aber halt auch nicht so viel, dass ich noch viel mehr geben könnte. Ich weiß auch, dass es nicht hilft, einem Menschen hin und wieder ein paar Almosen zuzustecken, das hilft ihm nicht, in seinem Leben weiterzukommen. Und die Gesellschaft ändert es auch nicht. Aber", sie guckt mich eindringlich an, „ich kann doch nicht einfach nein sagen, woanders hingucken, so tun, als ob es das Elend in der Welt nicht gäbe und ihn einfach im Regen stehen lassen. Oder?"

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