SWR3 Gedanken

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Aussprechen und loslassen unserer Sünden und befreit weitergehen

„Sie war's!"- „Nein, er hat angefangen!" Hannah und Jonah stehen mit tränenverschmierten Gesichtern und wutschnaubend vor mir. Sie erwarten, dass ich Partei ergreife, dass ich ganz klar sage, wer Schuld hat - und das ist natürlich jeweils der andere. Bei einem Streit unter Kindern kann man die Schuldfrage vielleicht noch klären.
Schwieriger wird's, wenn Erwachsene nach einem langen gemeinsamen Lebensweg sich trennen, wenn Ehepaare sich scheiden lassen.
Solche Trennungen sind oft das Ergebnis von jahrelangem Streit oder von resigniertem Schweigen, das beide einfach nicht lösen konnten. Hier gilt die schmerzliche Lebensweisheit: Wenn es mit der Beziehung nicht klappt, tragen oft beide Schuld daran.
Natürlich sind genauso wie bei Hannah und Jonah beide verletzt: „Ich wollte es doch nicht, er hat angefangen." So schieben sie sich gegenseitig die Schuld zu. Er hat sich in eine Andere verliebt. Nein, sie hat sich zu sehr in ihre Karriere reingekniet. Tatsache ist: ihre Liebe ist verloren gegangen. Und damit müssen beide fertig werden.
Was hilft? Es vielleicht einfach anzunehmen, wie es jetzt ist. Wie viel der eine oder die andere auch schuld gewesen ist. Es ist, wie es ist. Es ist tragisch, aber es ist nun einmal passiert.   
Im alten Israel gab es so eine Tradition: Jedes Jahr lud man alle Sünden des Volkes einem Bock auf - und schickte ihn in die Wüste. Den sprichwörtlichen Sündenbock.
Heute könnte man das vielleicht nach so einer Trennung auch mal versuchen. Man lässt die Frage nach der Schuld los. Die Trauer, die Wut und die Frage, wer angefangen hat - all das wird in die Wüste geschickt. Dann ist der Weg frei weiterzugehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11033
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