SWR2 Wort zum Tag

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In einem Magazin habe ich zwei Lieblingskolumnen. Die eine heißt: Die großen Fragen der Liebe. Ein bekannter Therapeut gibt anhand von Fallbeispielen Ratschläge. Die lese ich immer gerne, weil einem selbst das ja in der eigenen Beziehung passieren könnte, und so bin ich gerüstet für die Zukunft - hoffentlich jedenfalls, denn bei der Fülle der Fallbeispiele stehen die Chancen 99 zu 1, dass die Probleme kommen werden. Diese Kolumne ist also ein Blick in die Zukunft.
Meine andere Lieblingskolumne schaut nicht nach vorne, sondern zurück. Meine Rettung heißt sie, und bekannte Persönlichkeiten erzählen von einschneidenden Erfahrungen, die ihr Leben nicht nur verändert, sondern ihrer Ansicht nach sogar gerettet haben. Manchmal ist es dramatisch, jemand wird vor dem Ertrinken bewahrt. Manchmal ist es ein von außen betrachtet unscheinbares Erlebnis, das sich im Rückblick für den Betroffenen jedoch als Lebenswende darstellt. Ich überlege, ob es auch in meinem Leben solche einschneidenden Erfahrungen gab. In der Tat fallen mir Geschichten ein. Einmal ziemlich spektakulär, da ging es um Leben oder Tod, andere Episoden sind eher beiläufig. Spannend sind diese Gedanken an „Meine Rettung", weil mir im Rückblick klar wird, dass mein Leben ganz anders verlaufen wäre, wenn ich in dieser oder jener Situation anders entschieden oder anders gehandelt hätte oder etwas einfach anders passiert wäre. Was wäre geschehen, wenn ich an diesem Tag faul im Bett liegengeblieben oder rechtzeitig zum Bahnhof aufgebrochen wäre? Zufall, kann man sagen, ich möchte mir für mich schon vorstellen, dass Gott damit zu tun hat. Das war meine Rettung - mir fällt auf, dass die Prominenten in der Kolumne oft davon erzählen, dass es Menschen waren, die sie gerettet haben. Ich finde es schön zu denken, dass Gott mir in meinen Mitmenschen begegnet und versucht, meinem Leben eine Chance zu geben. Im Rückblick fällt mir auch auf, dass ich meistens gar nicht ahnen konnte, wie wichtig sich eine scheinbar unwichtige Entscheidung auswirken würde. Interessant, dass ich gar nicht in der Lage bin, mein Leben zu überblicken, noch nicht einmal vollständig im Rückblick. Ich hoffe aber, dass zumindest Gott mein Leben im Blick behält. Meine Vergangenheit und meine Zukunft - denn ich ahne schon, dass auch die Kolumne „Die großen Fragen der Liebe" nicht alle Lebenslösungen für mich bereithält.
Insgesamt machen mich meine Lieblingskolumnen auch ganz demütig: Wie wenig es auf mich ankommt, auf meine klugen Planungen und Vorhaben, wie viel mehr auf Begegnungen, auf - scheinbare oder tatsächliche - Zufälle, auf die Idee eines Augenblicks, auf Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11029
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