SWR2 Wort zum Tag

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Der Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini und der Schriftsteller Umberto Eco haben Mitte der 90er Jahre einen öffentlichen Briefwechsel geführt. Eines der Themen lautete: „Gibt es einen Begriff von Hoffnung..., der Gläubigen und Nichtgläubigen gemeinsam sein könnte?" (Woran glaubt, wer nicht glaubt?  Zsolnay-Verlag,  28) Eine Frage, die mir auch heute noch nicht beantwortet scheint.
Eco gehört keiner Konfession an. Mit Kardinal Martini diskutiert er darüber, was Nichtglaubende hoffen, und was Christen hoffen und wie sich die jeweilige Hoffnung auf ihr Handeln auswirkt. Denn es ist ja nicht so, dass nichtglaubende Menschen die Hände in den Schoß legen und die Welt - da sie ja ohnehin vergehen wird - ihrem Schicksal überlassen, während gläubige Christen unermüdlich tätig sind und sich einsetzen in der Welt. Es gibt die Gleichgültigen und die Engagierten in beiden Gruppen.
Die Engagierten in beiden Gruppen - ihretwegen sieht Kardinal Martini auf der praktischen Ebene tatsächlich eine Hoffnung, die Glaubenden und Nichtglaubenden gemeinsam ist. Diese Hoffnung auf der praktischen Ebene nennt er einen Nährboden, einen „Humus, an dem Gläubige und Nichtgläubige, wenn sie verantwortlich handeln, teilhaben, ohne dass sie dafür denselben Begriff verwenden müßten." So Martini wörtlich.(33)
Eco spricht mit Hochachtung vom Christentum. Besonders würdigt er das Verhältnis der Christen zur Zeit. Er sagt: das Christentum hat den Gedanken gebracht, dass die Zeit voranschreitet, und es hat so die Geschichte erfunden. Das, was geschieht, ist also nicht ein Sammelsurium, mehr oder weniger zufällig, sondern es hat eine Richtung und einen Zusammenhang. Und Eco fährt fort: „Nur wenn man einen Sinn für die Richtung der Geschichte hat,.... kann man die irdische Wirklichkeit lieben und - mit Nächstenliebe - glauben, dass noch Platz für die Hoffnung ist." (28)
Einen Sinn haben für die Richtung der Geschichte - diesen Gedanken greift Kardinal Martini auf. Und er betont, daß für Christen die Geschichte ein Ziel hat jenseits unserer sichtbaren Welt, und dass dieses Ziel jedem einzelnen Tun Wert und Bedeutung gibt. Wenn das Ende nicht ein Ende ist, sondern ein Ziel, dann ist es wichtig und sinnvoll, was ich jetzt tue.
„Es ist also nicht Zeit", schreibt Martini zum Schluss, „uns auf das Ende wartend, vom Fernsehen betäuben zu lassen. Es gibt noch vieles gemeinsam zu tun." (35)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11007
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