SWR3 Gedanken

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Vor 70 Jahren haben die beiden geheiratet, mitten im 2. Weltkrieg. Es ist ein seltenes Fest, die sogenannte Gnadenhochzeit. Von einem Paar aus unserer Stadt, das in diesem Jahr 70 gemeinsame Jahre feiert, las ich vor kurzem in der Zeitung. Sie seien auch heute noch so verliebt wie am ersten Tag, erklärten die beiden. In einer Zeit, in der statistisch mehr als jede dritte geschlossene Ehe wieder in die Brüche geht, ein immerhin bemerkenswerter Satz. Ein besonderes Rezept für eine so lange, glückliche Beziehung hatten die beiden allerdings nicht. Es wäre uns Jüngeren wohl auch wenig hilfreich gewesen. Denn die Lebensformen und -umstände unter denen wir heute leben und lieben sind inzwischen fast so bunt und verschieden wie wir selbst. Jeder muss da seine für ihn passende Form finden. Gemeinsam scheint allen nur die Hoffnung auf das lebenslange Glück. Das wünschen wir uns zwar immer wieder, scheitern aber trotzdem so oft daran. Sicher, es gibt ein paar Spielregeln für eine gute Beziehung. Die Ratgeberseiten der bunten Lifestyle-Magazine sind schließlich voll davon. Doch wenn es wirklich über sieben Jahrzehnte hinweg klappt mit dem Glück und der Liebe, muss da noch mehr sein als die Einhaltung bestimmter Spielregeln. Die volkstümliche Bezeichnung dieses seltenen Festes erscheint mir da eigentlich ganz passend. Gnaden-Hochzeit. Denn Gnade meint etwas, das ich niemals machen kann. Ein Geschenk, durch und durch. Wie die Liebe. Und falls man sich je dafür bedanken möchte: Ein Gebet wäre vielleicht die passende Antwort.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10996
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