SWR3 Worte

SWR3 Worte

Etty Hillesum, eine niederländisch-jüdische Lehrerin, starb 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau. Drei Jahre war sie dort in Haft, sie schreibt:
Der Jasmin hinter dem Haus ist jetzt ganz zerzaust
vom Regen und den Stürmen der letzten Tage,
die weißen Blüten treiben verstreut in den schmutzigen Pfützen auf dem niedrigen Garagendach.
Aber irgendwo in mir blüht der Jasmin unaufhörlich weiter,
genauso überschwänglich und zart wie er immer geblüht hat.
Und sein Duft verbreitet sich um deinen Wohnsitz in meinem Inneren, mein Gott.
Du siehst ich sorge gut für dich.
Ich bringe dir nicht nur meine Tränen und ängstlichen Vermutungen dar, ich bringe dir an diesem stürmischen, grauen Sonntagmorgen sogar duftenden Jasmin.
Ich werde dir alle Blumen bringen, die ich auf meinem Weg finde,
und das sind immerhin eine ganze Menge.
Du sollst es so gut wie möglich bei mir haben.
Um nur irgendein beliebiges Beispiel zu nennen:
Wenn ich in einer engen Zelle eingeschlossen wäre
Und eine Wolke zöge am vergitterten Fenster vorbei,
dann würde ich dir die Wolke darbringen, mein Gott.

Das denkende Herz. Die Tagebücher von Etty Hillesum 1941-1943

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10950
weiterlesen...