SWR3 Gedanken

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Nina Rybik darf nach hause. Das ist etwas besonderes, denn ihr zuhause ist für immer radioaktiv verseucht. Sperrgebiet. Nina Rybik lebte in der Nähe von Tschernobyl. Vor 25 Jahren verunglückte dort der Reaktor. Während ich Ninas Bericht lese bekomme ich eine Ahnung davon, was das heute für die Menschen in Japan, in Fukushima bedeutet. In den Nachrichten geht alles ganz schnell: Reaktorunglück. Evakuierung. Sperrzone. Umsiedelung. Und dann die nächsten Nachrichten. Hochzeit in England. Vulkanausbruch in Island. Staatsbankrott in Griechenland. Und immer so weiter. Nina Rybik darf übrigens nur einen einzigen Tag nach hause. Zum Totengedenken. Sie ist orthodox. Einmal im Jahr wird das Radunica-Fest in der orthodoxen Kirche gefeiert. Ein Osterfest für die Toten. Ausdruck der Hoffnung, dass sie jetzt bei Gott sind. Am Radunica-Fest dürfen die Angehörigen ohne Sondergenehmigung die Sperrzone betreten. „Der stärkste Eindruck war die Stille", schreibt Nina. „Eine tote, absolute Stille, kein Wort, kein Weinen, kein Schreien, kein Vogelgezwitscher, kein Hämmern und kein Knarren einer Tür. Die Stille war geradezu körperlich spürbar. Der ummantelte Reaktor wirkte wie ein schalldichter Monolith. Das bedrückte mich so stark, dass es mir vorkam, als würde ich im nächsten Augenblick verschwinden." Nina Rybik hat Blumen mitgebracht. Die bunten Blumen wirken fremd in dieser toten Umgebung. Aber wie ein winziger Hoffnungsschimmer durchbrechen sie die Kälte des Ortes, der sonst nur Tod ausstrahlt. Es ist Radunica-Fest. Ostern für die Toten. Sie sind nicht vergessen. Nicht von Nina. Und die Blumen? Damit will Nina zeigen, dass sie trotzdem hoffen kann: dass Gott sich der Opfer annimmt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10891
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