SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Morgen an Pfingsten feiert die Kirche ihren Geburtstag, denn dieses Fest erinnert an die Entstehung der Kirche. In der Bibel wird erzählt, wie der Heilige Geist damals den verängstigten Jüngern Mut und Überzeugungskraft gab, so dass sie die Botschaft von der Auferstehung Jesu in alle Welt hinaus tragen konnten. Das war vor 2000 Jahren. Heute ist das Christentum eine der großen Weltreligionen. Und  besonders die europäische Geschichte und Kultur ist undenkbar ohne das Christentum. Also eine Erfolgsgeschichte. Einerseits. Andererseits steht es um die Kirche - und ich meine hier besonders die katholische Kirche - nicht gut. Die Kirchenbänke leeren sich immer mehr, obwohl außerhalb der Kirchen die Spiritualität boomt. Doch die Kirche hat anscheinend ihre  Anziehungskraft verloren. Und seit die Missbrauchsskandale öffentlich geworden sind, ist sie für viele auch nicht mehr glaubwürdig. Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart - Gebhard Fürst - stellt sich dieser Krise. „Die Kirche sei zerrissen, und oft sei nicht mehr drin, was drauf steht", so sagte er bei einer großen Tagung vor einigen Wochen, bei der es um eine missionarische Kirche ging. Das sind für einen Bischof sehr selbstkritische Töne. Nicht die andern, sondern die Kirche selbst muss missioniert werden. Die Kraft und Lebendigkeit des Heiligen Geistes ist in ihr nicht mehr zu spüren. Beim ersten Pfingstfest damals in Jerusalem, hatten die Apostel deswegen so großen Erfolg, weil jeder sie in seiner Muttersprache verstehen konnte. Das heißt, die Apostel verstanden es, zu Herzen zu reden und die Menschen in ihrem Innern zu erreichen. Heute dagegen ist die kirchliche Sprache für viele zu einer Fremdsprache geworden, die sie nicht mehr verstehen. 
Wer miteinander reden will, braucht eine gemeinsame Sprache. Und diese erwächst aus Beziehung. Wenn man Anteil aneinander nimmt und die Welt des andern zu verstehen sucht, wenn man sich gegenseitig erzählt, was einen bewegt, woran man zweifelt, aber auch worin man Halt und Vertrauen findet, kann daraus eine gemeinsame Sprache des Glaubens erwachsen. Damit ein echtes Gespräch entstehen kann, braucht es auch eine Haltung, die in der katholischen Kirche noch lange nicht selbstverständlich ist. Nämlich anzuerkennen, dass jeder Christ mündig ist und seinen Glauben in eigener Verantwortung lebt. Wenn nicht bevormundet wird, wenn aus einem Monolog ein echter Dialog wird, dann hat der Heilige Geist eine Chance. Und mit ihm die Vielen in den Kirchen und außerhalb, die nach Gott fragen und suchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10868
weiterlesen...