Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Vor knapp drei Wochen platzte Rom aus allen Nähten: Papst Benedikt XVI. sprach seinen Vorgänger Johannes Paul II. selig.
Heute erinnert die Kirche an einen anderen Papst: den Hl. Cölestin. Er war nur fünf Monate im Amt. Vielleicht ist er der unglücklichste aller Päpste gewesen. Auf jeden Fall ist er der einzige, von dem man sicher weiß, dass er freiwillig zurücktrat.
Aber der Reihe nach. Im Sommer 1294 können sich die Kardinäle auf keinen neuen Papst verständigen. Seit mehr als zwei Jahren ist der Stuhl des Petrus verwaist. Die Kirche ist führungslos, das Volk Gottes revoltiert. Da macht sich ein frommer Mönch zum Sprecher der Protestbewegung: Pietro del Morrone. Er beschwört die Kardinäle, endlich einen Papst zu bestimmen. Und tatsächlich: Die Kardinäle einigen sich und wählen - Pietro. Das Volk ist begeistert. Der Neue ist kein ehrgeiziger Kirchenfürst aus dem Adel. Ganz im Gegenteil: Pietro, ein Bauernsohn, ist schon über 80 und lebt seit Jahrzehnten als Einsiedler in einer Grotte in den Abruzzen. Die Gläubigen verehren den braven Mönch wie einen Heiligen. Viele sehen in Pietro den „Engelpapst", der die Kirche wieder zu ihren Ursprüngen zurückführen werde, weg von Prunk, Macht und Gewalt. Pietro will die Wahl nicht annehmen, aber der Druck ist zu groß. Er muss. Als Cölestin V. besteigt er den Stuhl Petri. Schnell wird klar, dass der alte Mann dem Amt nicht gewachsen ist. Er ist ungebildet, beherrscht kein Latein, unterschreibt alles, was ihm seine Mitarbeiter vorlegen und wird zur Marionette der Mächtigen. Cölestin stürzt die Kirche ins Chaos. So bleibt ihm nur der Rücktritt. Doch sein Wunsch, in die Einsamkeit der Berge zurückzukehren, erfüllt sich nicht. Sein Nachfolger kerkert ihn ein. Als Gefangener stirbt Cölestin heute vor 715 Jahren. Die Tragödie zeigt: Frömmigkeit und guter Wille allein reichen für ein hohes Amt nicht aus. Führungsqualitäten sind gefragt. Wer eine Gemeinschaft leiten will, der muss im Leben stehen, mit Menschen umgehen können. Das gilt in besonderer Weise für die Kirche. Schon der Apostel Paulus hat das erkannt, wenn er betont, die Fähigkeit zur Leitung einer Gemeinde sei eine besondere Gabe Gottes (1 Kor 12,28). Und die bringt nicht jeder automatisch mit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10825
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