SWR2 Wort zum Tag

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„Ist die Kirche noch zu retten?" - eine häufige Frage derzeit, jedenfalls für Katholiken. Die Krisensymptome sind ja nicht zu übersehen. Umso wichtiger ist der Blick auf das Zentrum der Geschichte, das Evangelium. Dazu hilft ein uraltes Bild österlicher Hoffnung. Was der Mond in der Natur ist, ist die Kirche in der Welt. So sagten Christen früherer Zeiten. Der Mond sei dazu da, das Licht der Sonne aufzunehmen und in die Nacht weiter zu strahlen. Und Nacht bedeutete ihnen Finsternis und Todesgefahr. Das Mondlicht garantiert also den Fortgang des Lebens Genau so sei die Kirche dazu da, das Licht der Christussonne in die Welt aus zu strahlen und das Evangelium zu bezeugen. Entscheidend ist die Pointe an diesem uralten Glaubensbild: Der Mond nämlich müsse in rhythmischen Abständen sterben, er muss sozusagen auf Null herunter. An Neumond stünde alles auf der Kippe: Entweder verschwindet das Licht ganz und der Ofen ist aus, oder der leer gewordene Mond füllt sich neu, bis zur strahlkräftigen, fast sonnenähnlichen Fülle. Der Neumond markiert - angesichts des Todes - das Geheimnis vom Leben, vom Über-Leben.
So macht die Kirche immer wieder Vollmond- und Neumond-Phase durch. Immer wieder müsse eine historisch gewordene Gestalt von Kirche sterben, um neu die Wucht des Sonnenlichtes Christus vollmondig aufnehmen und attraktiv ausstrahlen zu können.
Könnte es sein, dass hierzulande eine solche Phase des Kirchensterbens zu bestehen ist? Was über Jahrhunderte hin spirituelle Strahlkraft hatte und gut tat zum Leben und Glauben - es spricht nicht mehr von Gott und vom wahren Leben. Im Osterbild von den Mondphasen ist aber nicht nur für Sterbegleitung Raum. Alles zielt ja auf vollmondige Strahlkraft. Könnte es sein, dass längst auch eine neue Gestalt von Kirche im Entstehen ist - als geistliche Bewegung z.B. basisnäher und inspirativ? Wann je gab es so viele Menschen, die sich für Kontemplation interessieren und geistliche Begleitung suchen? Wie viele engagieren sich weltweit für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung! Das Abenteuer des Glaubens wird neu entdeckt. Keineswegs geht alles Kirchliche zu Ende, im Abschied ist Neubeginn, im Sterben auch Geburt, Die Umrisse einer neuen Kirchengestalt werden sichtbar - lebensnah, aufs Wesentliche bedacht, in der kleinen Münze des Alltags. Nicht nur Sterbebegleitung ist notwendig, erst recht Geburtshilfe und Hebammendienst. Beides empfiehlt das Bild von den Mondphasen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10820
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