SWR3 Gedanken

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Behindert - kein Mensch ist perfekt
„Das ist voll behindert"! Junge Leute gebrauchen das Wort „behindert" als Schimpfwort. So unbedacht wie selbstverständlich. Bei ihnen steht es für sichtbar anders, weniger wert, doof, nervig. Schlicht für Ausgrenzung und für Außenseitertum. Wie kann es kommen, dass ein Wort für eine Andersartigkeit zu einem Schimpfwort geworden ist? Vielleicht weil das Funktionierende, das Gleiche, Glatte zu sehr in die Köpfe und Herzen der Menschen gedrungen ist. Durch Computer, Autos und Menschen, die immer mehr gleich aussehen und die meistens auch gut funktionieren. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich junge Leute in Topmodellshows oder Sangeswettbewerben quälen und demütigen lassen um dem Ideal zu dienen und perfekt zu sein. Der Mensch ist aber nicht perfekt. Gerade das macht ihn aus. Genau das gibt ihm seine Würde. Perfektion wäre kalt und leer. Weil sie keine Entwicklungsmöglichkeit in sich trägt. Aber das Leben ist Entwicklung bis auf das Sterbebett und in den Tod hinein. Darum sind behinderte Menschen auch kein Fehlmuster der menschlichen Kollektion, sondern deutlich sichtbarer Ausdruck der Regel, der Regel, dass kein Mensch perfekt ist. Die 10 % unserer Bevölkerung, die behindert sind, spiegeln den anderen 90 % dass auch sie nicht perfekt sind. Erinnern sie daran, dass jeder Mensch seine Schwächen und Behinderungen hat. Ich zum Beispiel habe verschiedenste Allergien, die mich manchmal gehörig behindern. Und die 10% Behinderten erinnern  daran, wie viel Stärke aus manchen Schwächen kommen kann. Dass uns die schönsten Ausdruckformen des menschlichen Geistes auch und gerade von behinderten Menschen geschenkt worden sind. Von einem an seinem Lebensende fast ganz gehörlosen Ludwig van Beethoven. Einem psychisch schwerkranken Vincent van Gogh. Und von einem vollkommen gelähmten Astrophysiker - und derzeit wohl größten Genie - Stephen Hawking.

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