SWR3 Gedanken

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Das 6. Gebot oder wenn die Ehe ins Schleudern kommt
Es sagte der Seiltänzer zu seiner Frau: „Du müsstest wissen, dass ein Seitensprung für mich nicht in Frage kommt." Ein schönes Bild der Schweizer Autorin Brigitte Fuchs. Ein Bild für die eheliche Treue. Und auch ein wenig schillernd, mit dem tragenden Seil als Ehe und dem Seitensprung als dem Absturz. Und warum erzähl ich das? Weil ich was über den Sinn des sechsten Gebots sagen will „Du sollst nicht Ehe brechen!" Klingt so knochig wie moralisch. Man sieht schon den erhobenen Zeigefinger, wittert heimlichen Sex oder erinnert sich schlimmstenfalls an unsägliche Beichtsituationen mit furchtbar indiskreten Pfarrern. Aber das sechste Gebot ist alles nur kein „Sexgebot". Klar, es geht es auch um Sex, aber nicht nur. Es geht um Verlässlichkeit, um Sicherheit. Oder anders ausgedrückt um Treue. Natürlich ist der Bund der Ehe keine Garantie für ewige Liebe und Treue. Und natürlich scheitern auch viele Ehen. Und wenn der Himmel auf Erden zur Hölle geworden ist, dann müssen Menschen in Gottes Namen auch auseinandergehen. Aber nicht gleich auseinander gehen, wenn's mal schwierig wird. Denn Treue hat auch mit Warten zu tun. Mit Geduld. Niemand ist ohne Fehler und jeder braucht Zeit, Zeit um sich zu entwickeln oder um zu vergeben. Und Treue hat auch mit Verzicht zu tun. Manchmal mit schmerzlichem Verzicht. Aber nicht nur aus starren Prinzipien, sondern um dem Partner oder, wenn Kinder da sind, um der ganzen Familie einen Schutzraum zu geben. Man kann nicht alles und nicht alle haben. Dass ich, wenn ich treu bin, auf andere, vielleicht auch ungeheuer spannende Erfahrungen verzichte, das gibt dem Partner und der gesamten Familie Halt, Sicherheit und Stabilität. Das sechste Gebot will dabei helfen. Nicht als Gefängnis, in das die Ehepartner eingesperrt sind, sondern als Leitplanken, die das Paar in der Spur halten, wenn die Ehe ins Schleudern kommt.

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