SWR3 Gedanken

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Das 8. Gebot - radikale Ehrlichkeit?
Jeder Mensch lügt ein bis zweimal täglich. Von solchen Statistiken hört man oft. Aber stimmt das denn? Und wenn ja, was heißt dann lügen? Gehört etwas schön zu reden auch dazu oder jemandem nicht die volle Wahrheit zu sagen? Ein Journalist hat einmal ein interessantes Experiment gemacht: er hat 40 Tage lang nur die Wahrheit gesagt, also immer volle Kanne das raus gelassen, was er gedacht, gefühlt oder gewusst hat. Das hat unter anderem dazu geführt, dass seine Freundin ihn aus dem Schlafzimmer geworfen und sein bester Freund ihm die Faust in den Magen gerammt hat. Nachdem der radikal ehrliche Journalist der Freundin seines Freundes erzählt hatte, dass sein Freund mit einer anderen Frau schläft. Also immer und überall die volle Wahrheit sagen? Ich denke nein. Und ich denke auch nicht, dass das achte der zehn Gebote das meint, wenn es sagt, du sollst kein falsches Zeugnis geben. Es bedeutet aber schon, nicht bewusst die Unwahrheit sagen, über sich selbst und über andere. Ein ehrlicher Umgang gegenüber anderen aber auch gegenüber sich selbst ist lebensnotwendig. Denn wenn man sich nicht mehr aufeinander verlassen kann, wird das Leben kalt, hart und brüchig. Der Journalist, der 40 Tage lang die nackte Wahrheit gesagt hatte, kam übrigens auch zu diesem Fazit: Radikale Ehrlichkeit geht nicht. Respektvolle Ehrlichkeit tut gut und tut auch der Beziehung gut. Und was kann das heißen „respektvolle Ehrlichkeit"? Vielleicht das, was ich bei einem Familientherapeuten gelesen habe. Eine Frau hat ihm über ihren Mann folgendes erzählt: „Als ich zugenommen hatte, hat mein Mann gesagt, er mag dicke Frauen. Und als ich wieder abgenommen habe, hat er gesagt, er mag schlanke Frauen. Irgendwann habe ich begriffen, dass er mich liebt."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10783
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