SWR4 Abendgedanken BW

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Verliebt sein ist schön. Aber Liebeskummer ist schlimm. Erwin und Erika erleben das gerade bei ihrer Enkeltochter Annika. Erika kann es kaum noch mit ansehen.
Es hat sich nicht viel daran geändert, denkt sie. Immer noch dieses Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt... Außer dass wir es damals mehr für uns behalten haben. Aber vielleicht hat man uns mehr angemerkt, als wir gedacht haben.
„Eigentlich könnte das doch so eine schöne Zeit sein", sagt sie zu Erwin." „Frisch verliebt, da lebt man doch richtig auf. Kannst du dich daran erinnern, dass wir auch mal so waren?"
„Das ist schon sehr lang her", sagt Erwin.
„Ach komm, wir waren auch mal jung, also ich weiß das noch gut, dieses Gefühl: mein Herz gehört nur dir, ich kann ohne dich nicht sein..."
„Ach ja? Und heute ist das nicht mehr so?"
„Hm", sagt Erika, „was soll ich da sagen? Manchmal bin ich ganz gern allein."
„Ach ja?"
„Ich freu mich aber auch, wenn wir dann wieder beieinander sind. Aber manchmal..."
„Manchmal will man auch für sich sein", sagt Erwin. Wir sind doch keine 15 mehr."
„Zum Glück", sagt sie, „Obwohl - schön war's schon."
„Ach, du", sagt Erwin, „dein ist mein ganzes Herz, wo du nicht bist, kann ich nicht sein... Wenn ich das sage, mal nur so probeweise - was spürst du dann?"
„Oh, das ist merkwürdig, es tut mir schon gut, aber dann denke ich: Um Himmelswillen, nein."
„Und warum?"
„Na ja, ich leb' ja nicht ewig", sagt Erika. „Und was ist, wenn...?"
„Da mag ich nicht dran denken", sagt er. „Aber - ja, dann ist es so."
„Eben. Aber nicht nur deshalb. Es hat auch mit der Freiheit zu tun. Ich bin ein freier Mensch, und du auch, und wir beide, also wir gehen unseren Weg miteinander, aber eben nicht das ganze Stück, jeder hat auch einen Teil des Wegs für sich allein. Das gibt mir ein freies Gefühl. Kannst du das verstehen?"
„Das verstehe ich sehr gut."
„Also", sagt Erika, „man soll sein Herz nicht ganz und gar an einen anderen Menschen hängen. Aber wie kann ich das der Annika beibringen?"
„Warum willst du ihr das beibringen?
„Weil sie unglücklich ist, die Annika, und die Schule vernachlässigt und man es nicht mehr mit ansehen kann."
„Liebe Frau", sagt Erwin, „behalte du dein Großmutterherz mal schön bei dir. Die Annika ist auch ein eigener Mensch, lass sie mal ihre eigenen Erfahrungen machen."

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