SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Zu Zeit bekomme ich täglich mindestens zwei Freundschaftsanfragen auf Facebook. Und doppelt so viele Anfragen schicke ich über den Äther. Nicht alle werden bestätigt.
Seit 2004 ist das Soziale Netzwerk Facebook online. Rund 500 Millionen aktive Mitglieder sind auf Facebook registriert, behaupten zumindest die Betreiber. 710.000 Nutzer davon sitzen allein im Raum Stuttgart.
Jeder vierte Klick geht auf Facebook. Ich rufe täglich meine Facebook Nachrichten ab. Vor einem halben Jahr habe ich das noch anders gesehen: Nur nicht abhängig werden vom Internet. Aber das habe ich anfangs von meinem Mobiltelefon gedacht, heute gehört beides selbstverständlich zu meinem Leben dazu.
Die negativen Seiten von Facebook blende ich leider oft aus. Datenklau, Seelenstriptease, niveauloses Geplänkel, oberflächliche Freundschaften ohne Tiefgang.
Aber halt, ich kann ja selbst bestimmen, was ich auf Facebook poste, was ich wem preisgebe, mit wem ich befreundet sein will oder nicht. Leider vergisst das Internet nichts. Einmal ein Bild hochgeladen, lässt es sich nicht mehr löschen.
Auf der Startseite von Facebook steht: „Geh weiter, aber bleib in Verbindung". Und es stimmt. Ich bin über Facebook mit Menschen in Kontakt gekommen, die ich schon lange vermisst hatte. Endlich habe ich eine Möglichkeit mich mit ihnen wieder zu verständigen. Ich finde es prima, dass ich ein Medium nutzen kann, um mit anderen in Kontakt zu treten. Vielleicht so ein Gespräch beginnen, das schon lange fällig ist. Endlich versöhnende Worte finden, ein Treffen vereinbaren, liebevolle Worte schreiben. Viele interessiert das trotzdem nicht. Sie sehen Facebook kritisch, haben sogar Angst davor, auch das kann ich verstehen. Facebook funktioniert auch ohne mich, das ist klar. Was mich bei Facebook nachdenklich macht: Die Suche, nein Jagd nach sogenannten Freunden und Freundinnen, das Herzeigen seines Glücks, das Entblößen der Lebenserfolge. Das alles macht mir deutlich, dass dahinter eine tiefe Sehnsucht steckt nach Anerkennung, nach Vertrauen, ja sogar nach Liebe. Facebook ist für mich wie eine Suchmaschine nach etwas, das bleibt. Wer auf Facebook ist, zeigt sein Gesicht und wer er ist oder sein möchte. Wer auf Facebook ist, kann es sich leisten in irgendeiner Form da zu sein, präsent zu sein für andere. Auch wenn es nur virtuelle Anwesenheit ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10710
weiterlesen...