SWR2 Wort zum Tag

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Was für einen Glauben hast Du? Kann man überhaupt einen Glauben haben, haben im Sinne von besitzen? Glaube verändert sich doch ständig, entwickelt sich. Wenn ich neue Erfahrungen mache, sehe ich mein Leben anders, und meine Bilder von Gott verändern sich. Manche beunruhigt das, manche zweifeln, ob sie sich überhaupt gläubig nennen dürfen. Mich tröstet da, dass die ersten Christen ihren Glauben offenbar für etwas sehr Bewegliches gehalten haben. Sie haben sich nämlich einen Namen gegeben, bei dem sich verändern, Mobilsein geradezu Programm ist. Den Namen: Weg. Sie hießen nicht von Anfang an Christen. In der um 80 herum entstandenen Apostelgeschichte im Neuen Testament findet sich dagegen mehrmals der Name Weg. Das klingt ungewohnt. Z.B. als der Apostel Paulus erzählt, wie er anfangs die Christen verfolgt hat, da sagt er: Ich habe den Weg bis auf den Tod verfolgt, habe Männer und Frauen gefesselt und in die Gefängnisse geworfen" (Apostelgeschichte 22,4). Und vor dem römischen Statthalter Felix sagt Paulus: Das bekenne ich dir: Dem Weg entsprechend, den sie eine Sekte nennen, diene ich dem Gott meiner Väter." (24,14) Der Weg - Name für Glauben und eine Glaubensgemeinschaft. Da gehört sich verändern, sich bewegen zum Programm! Glauben geschieht im Gehen, im Unterwegssein. Glauben ist Unterwegssein. Nicht an einem Ort, nicht auf einem Standpunkt bleiben. Sondern das bis jetzt Geglaubte erproben, neuen Spuren folgen, sich locken lassen. Dieser Gedanke muß anfangs bei denen, die in ihrem Leben Jesus nachfolgen wollten, sehr stark gewesen sein. Nachfolgen, dieses Schlüsselwort in der Frömmigkeitsgeschichte, ist ja auch ein Wort, das von Bewegung spricht. Sie sind dabei nicht orientierungslos gegangen. Was sie von Jesus und mit Jesus erfahren hatten, hat ihre Schritte gelenkt und hat sie auch miteinander verbunden. Insofern ist dann auch später der Name Christen angemessen. Aber ich möchte dabei den alten Namen Weg nicht vergessen. Glauben als Weg, das heißt: nicht schon angekommen sein, nicht schon alles wissen, sondern noch viel vor sich haben. Neue Erfahrungen, neue eigene Schritte, neue Weggefährten.
Wo bleiben wir stehen? Wohin bewegen wir uns - das ist heute auch ein Thema in den christlichen Kirchen. Vielleicht sollten wir uns öfter daran erinnern, dass die Christen ursprünglich „Weg" geheißen haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10702
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