SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Gleich gibt's Ärger, sagt der Beamte vom Infopoint im Bahnhof.
„Was ist los?" will der Kollege wissen. „Na, der Intercity. Fährt gleich ein. Mit 20 Minuten Verspätung!"
Ich stehe ganz entspannt am Schalter, habe noch Zeit. Gleich werden die Leute aus dem Zug stürzen und merken, dass sie ihren Anschlusszug verpasst haben. „Und, was machen Sie jetzt?" frage ich in die Männerrunde.
„Na den Kopf hinhalten!" sagt der eine und schiebt seine Mütze grade.
„Wir sind halt immer schuld." Der Kollege lacht.
„Den Kopf hinhalten und - locker bleiben, das ist unser Job." Die beiden nehmen's mit Humor. Noch.
Eigentlich tun mir die beiden leid. Die können ja wirklich nichts dafür, wenn der IC schon wieder zu spät ist. Nur dass sie halt ihr Gehalt von der Firma kriegen, die das mit den Verspätungen einfach nicht hinkriegt.
Aber sie sind ja nicht die einzigen, denen es so geht. Was hab ich die von der Telecom schon beschimpft, als mein Telefon nicht funktioniert hat! Oder den Elektriker, weil seine Firma Stuss gebaut hat. Weil das doch so wichtig ist- Telefon und Strom haben.
Und was bin ich schon beschimpft worden, als ich erzählt hab, dass ich Pfarrerin bin: der ganze Ärger über die Hexenverbrennungen, die Inquisition und die Kreuzzüge der Kirche, hab ich abgekriegt. Nur weil ich von der „Firma" bin. Anfangs hab ich mich darüber geärgert.
Aber inzwischen finde ich das ganz in Ordnung. Meinen Kopf für „meine Firma" hinhalten. Weil mir das Ganze wichtig ist. Das, wofür Kirche eigentlich da ist: zum Beispiel für Menschlichkeit in der Welt. Für Orientierung in Glaubensfragen. Und so ist es auch wichtig, dass wir hier in Deutschland überhaupt eine Bahn haben für alle. Und Telefone und Strom.
Wie gut, dass es Leute gibt, die dafür ihren Kopf hinhalten. Nicht nur, weil sie dafür Gehalt kriegen, sondern weil ihnen das Ganze wichtig ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10675
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