Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Menschen sind anders als das Internet. Das Problem ist, das Internet vergisst nichts! Und es vergibt auch nichts! Das Internet hat ein gnadenloses Gedächtnis. Es frisst sich tagein tagaus den Bauch voll mit Informationen. Aber wo bleiben die?
Vor allem die über uns selber - zum Beispiel in den „sozialen Netzwerken": Facebook, Twitter, kein noch so peinliches Online-Foto, keine E-Mail, kein Freundeskreis, keine Buchungsanfrage beim Reiseveranstalter bleibt unsichtbar. Und alles bleibt für ewig drin. Bis jetzt jedenfalls.
Was man da alles über andere Menschen erfahren kann. „Googlen" heißt die neue Vokabel. Au ja, gleich „google" ich mir mal Infos über meinen Arbeitskollegen zusammen. Mal sehen, wie der so lebt, was der so für Hobbys hat. Mal sehen, was im Internet über meine hübsche Nachbarin zu erfahren ist, wie meine Angestellten, mein Lehrer oder mein Chef privat gestrickt sind. Schon bin ich drin, im Netz der unendlichen Informationen. Das Netz speichert alles, weiß alles, vermischt aber blöderweise die Vergangenheit eines Menschen mit seiner Gegenwart.
Haben Sie früher auch mal Mist gebaut? Ich meine so einfach dummes Zeug geredet, blöde Fotos von sich gemacht, einen schmutzigen Witz erzählt? Was ist, wenn ihr Arbeitgeber solches über Sie im Internet findet und dann als Information neben ihrer Personalakte liegen hat?
Jeder Mensch entwickelt sich doch weiter. Das Internet hält aber als Strafe das ewige Erinnern bereit. Niemals wird etwas vergessen oder vergeben, aus einem blöden Speichervorgang wächst ein ewiges Sündenregister.
Menschen sind anders als das Internet. Vergebung ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft. Wie wäre es denn, wenn der ganze persönliche Informationsmüll demnächst mit einer Verfallszeit versehen würde? Einander im Internet vergeben. Damit der Mist von früher nicht immer neu über uns kommt und wir Menschen frei würden zu guten sozialen Kontakten?
Gott hätte wohl seine Freude an sozialen Netzwerken, die versuchen, die Vergebung als Anlass zu nehmen, Gutes und Neues daraus zu entwickeln. Dann wäre auch das Internet mehr Segen als Fluch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10627
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