SWR2 Wort zum Tag

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 Thomas Thwaites ist für die einen ein Spinner, für die anderen ein Künstler. Er hat sich nämlich einen Toaster selbst gebaut. 1400 Euro hat der gekostet - und neun Monate Arbeit. Ein Spinner, ganz klar. Im Supermarkt gibt's schließlich Toaster schon ab ein paar Euro. Und die sehen besser aus, als Thwaites selbstgebauter Toaster. Denn der besteht aus einem Gestell, weiße Masse darauf, die wie zerlaufene Butter aussieht. An einer Seite ist ein Griff oder ein Hebel zu erkennen, an der anderen hängen Kabel heraus. Toasten damit? Um Himmels willen.
Aber Thwaites Toaster ist dafür echte Handarbeit. Der Designer hat ihn nämlich nicht nur aus Einzelteilen zusammengebaut. Er hat auch alle Teile selbst gefertigt. Hat sich das Material für jedes einzelne Teil aufwendig selbst besorgt. Hat einen Toaster wirklich komplett selbst gebaut. Für das Gestell holte sich Thomas Thwaites zum Beispiel Erz aus einer Mine. Und um daraus Stahl zu machen, hat er sich auch den Ofen dafür selbst gebaut. Noch ein Beispiel: Die Heizdrähte für den Toaster werden unter anderem aus Glimmer gemacht. Den hat Twaites mit einem Taschenmesser im Norden Schottlands aus Steinen herausgekratzt.
Spinnerei? Kunst? Mich fasziniert die Idee, die Thwaites hatte. Ich benutze tagtäglich viele Gegenstände, die ich selbst nicht produzieren könnte. Ich habe mich in einem Leben eingerichtet, das fast vollständig von den Ideen und der Arbeit anderer abhängt. Ich gebrauche einen Toaster, weiß aber weder genau, wie er funktioniert, noch, wie er zusammengebaut wird. Das ist kein Problem: Unsere Gesellschaft beruht schließlich auf der Idee der Arbeitsteilung. Aber das entfernt mich auch von den Dingen, die mich umgeben, schafft Distanz zwischen mir und dem, was um mich herum ist. In der christlichen Tradition gibt es eine breite Strömung, die ganz anders ansetzt. Sie geht zurück auf Ignatius von Loyola. Aufmerksamkeit heißt ihr Grundwort. Aufmerksamkeit für das, was alles passiert. Mit einigen wenigen Schritten geht es in einer Übung der Aufmerksamkeit vor allem darum, Gottes Spuren im Alltag zu entdecken. Aber eben auch darum, aufmerksam für all das zu werden, was sich am Tag ereignet hat. Aufmerksam werden auf die Welt, die mich umgibt. Und das heißt auch: den Toaster als etwas zu sehen, was nicht selbstverständlich da ist. Sondern der viele Ideen, Erfindungen und Einsatz voraussetzt. Thwaites zugegebenermaßen spinnertes Projekt erinnert mich daran.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10621
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