SWR3 Gedanken

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Den Muttertag habe ich gehasst, ehrlich gesagt.
Ich fand das Getue albern und seltsam;
wir haben Bilder gemalt für unsere Mutter - komische Gedichte aufgeschrieben,
ihr das Frühstück ans Bett gebracht. Solche Sachen.
Das war so künstlich.
Wir hatten in unserer Familie eigentlich gelernt, Mutters Rolle zu schätzen
und ihr dankbar zu sein. Beinahe jeden Tag -
und natürlich auch am zweiten Sonntag im Mai. Da passte es ganz gut, als unsere eher linken Lehrer uns aufgeklärt haben,
wie der Muttertag in Deutschland jedenfalls entstanden sei:
Eine Initiative der Blumenhändler, in den zwanziger Jahren
des zwanzigsten Jahrhunderts. Geschickt und dezent eingeleitet -
Parole: „Ehret die Mütter".
In diesem Jahr habe ich etwas Neues gelernt;
es hängt zusammen mit dem heutigen Datum, dem achten Mai.
Heute vor sechsundsechzig Jahren ging
mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht
der große zweite Weltkrieg zu Ende.
Friede brach aus - und zwar der längste Friede,
den es in der Geschichte je gegeben hat, jedenfalls in Deutschland.
Ganz am Anfang des Muttertags - mothers day in Amerika,
um 1870 herum, also vor 140 Jahren, da stand eine Friedensbewegung
als Teil der frühen Frauenbewegung.
Muttertag unter dem Motto „peace and motherhood" -
mit dem Ziel, dass die Söhne
nicht mehr in Krieg und Terror geopfert werden sollen.
Wenn Deutschland aus dem achten Mai '45 etwas gelernt hat,
dann ja wohl genau das: dass von Deutschland nie wieder Krieg ausgehen darf.
Und unter dieser Perspektive könnte ich sogar dem Muttertag
wieder ein bisschen mehr abgewinnen:
Er erinnert an die Mütter (und natürlich auch an die Väter),
denen Krieg und Gewalt die Kinder wegnehmen.
Und daran, dass mehr dafür getan werden muss, gerade heute:
Nie wieder Krieg - schon gar nicht von Deutschland aus...
Was ja ein guter Wunsch wäre auch für diesen Muttertag. Glückwunsch! 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10597
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