SWR2 Wort zum Tag

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Herr P. ist gestorben. Er war alleinstehend, Angehörige sind keine bekannt. Was das bedeutet, ist klar: Eine anonyme Grabstätte, davor eine angeordnete Bestattung. Trauergäste sind nicht zu erwarten. Der Sarg in der leeren Kapelle, dabei nur ein Friedhofsaufseher und, weil Herr P. evangelisch war, die Pfarrerin, die ihn auch nicht kannte und nur wenig über sein Leben herausfinden konnte. Und - wie so oft - Sabine Ostmann als Organistin. Ein einsames Ende eines einsamen Lebens; ein  bedrückendes Szenario, wie es Kirchenmusikerin Ostmann in der Großstadt in den letzten Jahren immer häufiger erlebt hat.
Letzten Sommer hat sie beschlossen, dass es so nicht weitergeht. „Da muss man etwas tun", hat sie sich gesagt, und einen ganz besonderen Chor ins Leben gerufen. Erstaunlich viele Menschen haben sich gemeldet. Sie sind bereit bei Bestattungen wie der von Herrn P. gegen die Leere anzusingen, die sich breit macht: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag." Junge Rentner sind dabei, Familienfrauen und andere, oft ehrenamtlich aktiv in ihren Kirchengemeinden. Sie nehmen teilweise lange Anfahrtswege auf sich, um Verstorbenen, die sie nicht kennen, diesen letzten Dienst zu erweisen. Viele bringen sogar jedes Mal einen schönen Blumenstrauß mit, um ihn auf den Sarg zu legen.
Mich beeindruckt und berührt diese Initiative von Sabine Ostmann und ihren Sängerinnen und Sängern. Die christliche Überzeugung, dass Gott Menschen nicht loslässt, auch wenn sie von aller Welt verlassen sind - und dass jeder Mensch, unabhängig davon, was in seinem Leben schief gelaufen ist, die gleiche Würde und den gleichen Wert hat - ich finde, besser kann man das gar nicht ausdrücken.
Für Sabine Ostmann hat ihr Bestattungschor aber auch noch eine andere Botschaft. Die Schicksale der Menschen, bei deren Bestattungen sie spielt und singt, beschäftigen sie. Das sind nicht nur Menschen, die aus dem bürgerlichen Leben ganz abgerutscht sind. Das sind oft völlig normale Menschen - die aber überhaupt keine Kontakte mehr hatten.
„Für mich ist das eine Aufforderung, nach rechts und links zu schauen, wer da neben mir ist", sagt Sabine Ostmann. Vielleicht kann es dann das eine oder andere Mal gelingen, einem einsamen Menschen schon vor dem Tod zu zeigen: Du bist nicht allein.

Wer sich für die Arbeit von Sabine Ostmann interessiert, kann sie erreichen unter:´
Sabine.Ostmann@freenet.de">Sabine.Ostmann@freenet.de

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