SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Der Mensch denkt, Gott lenkt". Ein Sprichwort, das ich ehrlich gesagt nie sonderlich gemocht habe. Dieser Tage fand ich es in einem Kalender wieder. Etwas abgewandelt steht es sogar in der Bibel (Spr 16, 9). Angesichts der Katastrophen, die wir in diesem Jahr schon gesehen haben, erscheint es mir heute zweifelhafter denn je. Was könnte denn da heißen: Gott lenkt?

Ist er es, der in Japan oder Haiti die Erde beben lässt. Millionenfach Angst und Leid über die betroffenen Menschen bringt? Ist er vielleicht verantwortlich für Bürgerkriege in Afrika? Ist er derjenige, der die Mörderbanden losschickt? Im Kongo, im Sudan, in Libyen? Dann wäre Gott im übelsten Falle eine Art Erfüllungsgehilfe von Despoten und Menschenschändern. Der Mensch denkt sich was - und Gott lenkt? Nein, so einfach können wir es uns nicht mehr machen. Nicht heute. Wir wissen sehr genau, warum die Erde bebt. Wir wissen, wie daraus Tsunamis entstehen. Wir wissen auch, dass das meiste Elend in den Kriegsgebieten Afrikas mit der Gier nach Geld und Macht zu tun hat. Die Vorstellung, dass Gott hinter so etwas steckt, womöglich, um zu disziplinieren, erschien vor 3000 Jahren vielleicht plausibel. Heute klingt sie geradezu pervers. Als lenkender Zuchtmeister hat Gott inzwischen ausgedient.

Die Frage nach dem Sinn des Ganzen ist damit aber nicht erledigt. Vielleicht ist sie der Grund, warum sich Menschen im Angesicht von Katastrophen dennoch an Gott wenden. Weil sie darauf vertrauen, dass er auch in den tiefsten Abgründen noch zu finden ist. Und weil sie hoffen, dass Gott sie in ihrem Abgrund nicht vergisst. Wenigstens er nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10534
weiterlesen...