SWR3 Gedanken

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Wie oft muss man eigentlich einem Andern vergeben, hat ein enger Mitstreiter Jesus einmal gefragt. Sieben Mal vielleicht und dann reicht´s endgültig? Nein, bekam er zur Antwort. Nicht sieben, sondern siebenundsiebzig Mal, was so viel heißen sollte wie: immer wieder, da gibt's kein Ende!

Das ist so eine biblische Forderung, hab ich mir oft gedacht, an der du nur scheitern kannst. Und was sollen erst Menschen sagen, denen wirklich Schlimmes angetan wurde. Menschen etwa aus Ruanda. Ein Student, der in unserem Haus wohnt, hat mir die Horrorgeschichten aus seiner Heimat erzählt. Fast keine Familie gibt es in seinem kleinen Land, in dem nicht irgendwer im Bürgerkrieg vor 17 Jahren dem großen Morden zum Opfer gefallen, oder - nicht minder schlimm -  zum Täter geworden ist. Menschen, denen man tagtäglich im Dorf begegnete. Ohne eine übermenschliche Bereitschaft zu Vergebung und Versöhnung wäre Zukunft kaum denkbar gewesen. In Dorfversammlungen, sogenannten Gacacas, haben sie es dann versucht. „Wenn wir sagen, was wir gesehen haben, wenn wir gestehen, was wir getan haben, dann wird das unsere Wunden heilen", hieß ein Motto dieser Zeit. Täter und Opfer saßen sich dabei oft gegenüber.

Vergebung, das ist mir da einmal mehr klar geworden, gibt es nicht um jeden Preis und schon gar nicht zum Nulltarif. Soll sie gelingen, kostet sie beide Seiten verdammt viel Mut und Überwindung. Für den Täter, seine Schuld einzugestehen und um Vergebung zu bitten und für das Opfer, ihm tatsächlich zu vergeben, denn ein Anrecht auf Vergebung  gibt es nicht. Nur die Bitte. Wenn möglich, immer wieder. Vielleicht ist es ja der einzig gangbare Weg zum Frieden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10533
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