SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Die Fußwaschung - eine Geste der Zuwendung und Liebe

„Es war so schön zu leben,
da du lebtest"

sagt der chilenische Dichter Pablo Neruda.
„Es war so schön zu leben, da du lebtest" mögen auch die Jünger gedacht haben, die mit Jesus zusammen das letzte Abendmahl einnehmen, bevor sein Leidensweg zum Kreuz beginnt.
Ich stelle mir die Situation bedrückend vor: ein letzter gemeinsamer Abend. Abschied, Trauer machen sich breit, auch Sprachlosigkeit. Sie ahnen die Gefahr. Und sie wissen: so wie es war, wird es nicht mehr sein. Es war so schön mit Jesus zu leben, denkt Petrus. Wie soll es denn ohne ihn weitergehen?
Mitten in diese Sprachlosigkeit steht Jesus auf. Er gießt Wasser in eine Schüssel und beginnt, den Jüngern die Füße zu waschen. So erzählt es der Evangelist Johannes. Er stellt an die Stelle seines Evangeliums, an der Matthäus, Markus und Lukas vom letzten Abendmahl erzählen, die Fußwaschung.
Füße zu waschen ist eigentlich die Arbeit eines Sklaven.  Und das tut jetzt Jesus für seine Jünger. Vielleicht erinnern sich die Jünger an die Frau aus Betanien, die vor Jesus niederkniete und seine Füße mit dem kostbarsten Öl salbte, das es damals gab. Sie erwies Jesus diesen Liebesdienst. Die Jünger werden wohl diese Geste der Fußwaschung auch als Liebesdienst empfunden haben, als liebevolle Hingabe Jesu - bis ans Ende.
Für mich hat die Fußwaschung etwas mit Nähe und Zuwendung zu tun.
Vielleicht war Jesus seinen Jüngern noch nie so nahe, noch nie so zärtlich zugewandt wie jetzt. Er nimmt Abschied. Und zeichenhaft macht er deutlich, dass sie in seinem Geist weiterleben sollen: Sich hinabbeugen zu denen, die Berührung und Zuwendung, Trost und Liebe brauchen.
Vielleicht hat der ein oder andere von ihnen auch geweint. In Gründonnerstag steckt das Wort „greinen", ein altes Wort für weinen.
Petrus hält diese Umkehr der Verhältnisse, diese Geste des Abschieds nicht aus. Er protestiert: „Herr, nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!"  Da sagt Jesus zu Petrus: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du nicht teil an mir." Ich verstehe das so: Wenn Petrus sich diese Liebe nicht schenken lässt, dann trennt er sich von der Gemeinschaft mit Jesus. Petrus aber will teilhaben, weil er aus dieser Liebe lebt.  Und er begreift: Diese Liebe kennt kein Oben und Unten, wenn sie sich dem anderen zuwendet. Sie schließt niemanden aus, auch Judas nicht, obwohl er Jesus und seine Liebe verrät.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10497
weiterlesen...