SWR3 Gedanken

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Klaus ist Mitte 50 und hat sich seit ein paar Monaten Haare und Bart wachsen lassen. Sein fast weißes Haar ist mittlerweile schulterlang. Normalerweise würde er nicht so rum laufen, aber in diesem Jahr macht er wieder bei den Passionsspielen in seinem Dorf mit. Alle zehn Jahre beteiligen sich über 200 Bewohnerinnen und Bewohner an dieser besonderen Aufführung. Sie spielen die letzten Tage im Leben des Jesus von Nazareth. Wie er verraten wird, wie er verhört wird und wie er schließlich an einem Kreuz hingerichtet wird.
Klaus spielt einen der engsten Freunde Jesu. Er spielt den Petrus. Der ist immer mit vorne dabei. Hat eine große Klappe. Brüstet sich damit, für Jesus alles zu tun.
Aber im entscheidenden Augenblick kneift er und will mit ihm nichts zu tun haben. Weil er Angst um sein Leben hat. Und als der Hahn dann kräht, erkennt Petrus, was für ein Feigling er ist und weint bitterlich.
Klaus spielt diese Rolle überzeugend. Obwohl er mit Kirche und Glauben wenig am Hut hat. „Warum machst du bei den Passionsspielen mit?", frage ich ihn.
Weißt du, sagt er, das ist so: das Leben hat mir immer wieder einen Strich durch meine Pläne gemacht. Und ich hab es selber erlebt, wie Freunde einen verraten. Überhaupt habe ich vieles von Petrus bei mir selber entdeckt.
Aber weißt du, was mich am meisten anspricht? Klaus lächelt mich an. „Dass die Geschichte am Ende gut ausgeht. Jesus lässt diesen Petrus und seine anderen Freunde nicht im Stich. Sogar dann nicht, als er sterben muss.
Und deshalb spiele ich mit. Haare und Bart kommen bald wieder ab, aber eins bleibt: Gott gibt keinen Menschen auf. Das hab ich jetzt begriffen. Und das möchte ich mitnehmen in meinen Alltag.

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